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„Phänomen“ YouTube. Drei Themenskizzen

Die folgenden drei kleinen Skizzen entstanden im Rahmen eines Seminars an der Uni, welches sich im Wintersemester 2010/11 dem „Phänomen YouTube“ widmete.

YouTube als ‚Erfolgsgenerator‘: Von Stars und Sternchen

Was zeichnet heutzutage eigentlich einen „Star“ aus?

Im Grunde muss er keine besonderen Eigenschaften mehr erfüllen. Dank „DSDS“ kann jeder Straßenkehrer heute zu einem „Star“ werden und dies in nur wenigen Wochen. Dies klingt, wie das Versprechen eines Diätmittels, welches eine Gewichtsreduzierung in nur einem Monat prophezeiht.

Aber was haben all diese Dinge mit YouTube zu tun?

Früher war ein „Star“ eine Person, welche großes vollbracht und sich im Lauf seiner Schaffensperiode in seinem Bereich (Musik, Entertainment, Schauspielerei etc.) etabliert hat und sich so einen Namen machen konnte. Dieses Konzept ist, spätestens seit wir uns unsere „Stars“ selber heranzüchten (casten), völlig überworfen. Heute kann der kleine Mann von nebenan schon bald ein „Star“ in seinem Bereich sein und Plattformen wie YouTube können dies natürlich fördern.

Im Frühjahr 2008 machte eine durchgeknallte Studentin, welche sich jedoch als 17jährige Schülerin ausgab, via YouTube von sich Reden. Sie vollführte einen Kindertanz, nervte wild gestikulierend mit einer Art Sprechgesang und erzählte in nur wenigen Minuten die Story eines kleinen Hais, welcher groß wird und ein schwimmendes Mädchen verschlingt. Toll, oder? Dieses Video wurde zu einem „Hit“ auf YouTube und war bald so bekannt, dass Warner kurzerhand das Mädel unter Vertrag nahm, den Sprechgesang etwas aufpeppelte und im Sommer 2008 eine Maxi veröffentlichte – natürlich auch mit neuem Video. Was darauf folgte waren Auftritte und Samplerbeiträge bei Ballermann-Partys und –Veranstaltungen.

Dies ist nur ein Beispiel, wie YouTube seinem internen Sternchen verhelfen kann, ein „Star“ zu werden, auch wenn der Höhenflug nicht lange anhielt – aber immerhin. Die Finalisten aus „DSDS“ halten sich ja genauso kurz am Starhimmel.

Aber fördert oder hilft YouTube wirklich, „Stars und Sternchen“ hervorzubringen oder ersetzt die Plattform nur den persönlichen Kontakt zu den Entdeckern, welche über den weiteren Weg der „Stars“ entscheiden? Denn letzten Endes bedarf es hier immer noch der Hilfe der Konsumenten, um aus der Masse in irgendeiner Form hervorzustechen. YouTube liefert nur den Grundstein dafür. Was auf die Beine stellen und entdecken lassen, muss man sich schon noch selber.

 

Jukebox YouTube

YouTube eröffnet dem Musikliebhaber und –Hörer neue Möglichkeiten. Beim Arbeiten am Computer, beim Erledigen von Schreibarbeiten etc., via YouTube kann schnell und unkompliziert die Lieblings-Musik gehört und neue Musik entdeckt werden. Nebenbei erhält der Konsument noch die aktuellen offiziellen Videos zu den gehörten Songs, welche von Plattenfirmen selber oder von ambitionierten Usern hochgeladen wurden. Doch so neu ist diese Art des kostengünstigen Musikkonsums nicht, haben es doch Anfang der 2000er Jahre Tauschbörsen dem Musikkonsumenten quasi ermöglicht, schnell und einfach an das gewünschte Lied heranzukommen. Von der Industrie zwar verteufelt, ermöglichte es Filesharing auch, neue Künstler und Songs zu entdecken; gleiches geschieht bei YouTube. Nur stellt sich die Frage, inwieweit YouTube wirklich eine neue Plattform zur Promotion neuer Künstler und Songs bietet und ob nicht sogar eher Mainstream-Künstler davon profitieren anstatt die Newcomer?

Jeder kann auf YouTube seiner Kreativität freien Lauf lassen, eigene (oder geklaute) Musikvideos veröffentlichen, Songs hochladen etc. Dies haben natürlich Plattenfirmen auch erkannt und so läd schon ein Teil von ihnen regelmäßig ihre aktuellen Videos hoch, um für ihre neuesten Musikprodukte zu werben. Dies können sowohl bekannte, als auch unbekannte Künstler sein. Nur was bringt es den Unbekannten, dass sie auf YouTube für ihre neueste Scheibe werben? Denn irgendwie müssen potentielle Hörer ja zu ihrer Musik kommen. Ob hier allein das Taggen der Videos, der Vergleich mit anderen (bekannteren) Künstlern und das Hoffen, einmal in den Videoempfehlungen irgendwo angezeigt zu werden, ausreichen? Eine Grundbekanntheit des Künstlers muss vorhanden sein oder es muss zumindest irgendeine Instanz geben, die das Video pusht, die Zugriffszahlen erhöht, um es in irgendein Ranking zu schaffen. Wie sonst soll man sich aus der Masse hervorheben?

Und was ist eigentlich mit den Konsumenten! Kaufen sie sich wirklich die Single oder das Album der Band, die sie gerade auf YouTube entdeckt und (in voller Länge) gehört haben?Wenn dem so wäre, hätten die Verkaufszahlen von Alben und Singles in der Blütezeit der Tauschbörsen nie zurückgehen dürfen, bietet doch eine Tauschbörse ebenfallsdie Möglichkeit, in Songs reinzuhören, nur dass bei einer Tauschbörse der Song auf der lokalen Platte landet. Wer ein wenig mit der YouTube-Materie bewandert ist, kriegt selbiges aber auch hin. Mittels Software lassen sich völlig unkompliziert Videos als MP3 speichern, ja sogar das komplette Video kann inzwischen aus dem Netz gesaugt werden. Also, warum noch ein Album kaufen? Da es eh egal zu sein scheint, wie die Qualität des Songs ist, Hauptsache, man kann seinen Ohrwurm unkompliziert und vor allem überall hören, reicht doch die über YouTube bezogene MP3 vollkommen aus, es sei denn, die Ländereinschränkung macht einem einen Strich durch die Rechnung.

Wozu also CDs oder MP3s käuflich erwerben. Wenn wir die Songs schon nicht via YouTube hören können, so gibt es ja noch Last.FM, eine spezielle Plattform für Musikfans, welche auch ein stätig anwachsendes Archiv an Songs enthält und welche einem sogar noch Bands aus der gleichen Musikrichtung vorschlägt. Das leistet ja noch nicht mal mehr ein Verkäufer in einer x-beliebigen CD-Abteilung. Dass die Bands dabei teils auf der Strecke bleiben, das geht zum einen Ohr rein und zum anderen scheinbar wieder raus, das wurde schon immer wiederkäuend in Nachrichten, Magazinen etc. behandelt und ist eh jedermann bekannt.

„YouTube kills the Music Star“ – oder vielleicht auch nicht? Es kommt ja vielleicht auch darauf an, mit welcher Intention man Musik produziert. Manche wollen ja gar nicht groß Geld mit ihrer Musik verdienen, sodass es für sie keine allzu große Rolle spielt, ob ihre Musik auf YouTube landet. Im Gegenzug gibt’s ja doch noch wirkliche Musikliebhaber, die völlig unabhängig von YouTube und den musikalischen Inhalten Musik erwerben.

 

Flimmernder Begleiter: YouTube vs. Fernsehen

Hinsetzen, Einschalten und los geht’s! Diese drei einfachen Schritte, die bis zur Fernsehentspannung nach einem arbeitsreichen Tag vollzogen werden müssen, kann YouTube in dieser Form nicht bieten. Der Fernsehapparat muss nur angeknipst werden. Er kann nebenbei laufen, quasi als Begleitmedium dienen, auch 24 Stunden lang, denn die Zeiten, in denen Nachts ein piepsendes Standbild ausgestrahlt wurde, sind schon längst vorbei.

Bei der Nutzung von YouTube sind die Schritte bis zur endgültigen Entspannung und Unterhaltung nicht so einfach. Der PC muss zunächst angeschaltet und das Eingangsportal aufgerufen werden. Hiernach folgt eine Vorauswahl des gewünschten Inhalts (Kanäle, Videos, Playlists etc.), erst dann kann die Unterhaltung beginnen. Nur endet sie auch irgendwann, denn keine Playlist ist endlos und selbst wenn, so scheitert es am begrenzten Videoangebot eines YouTube-Channels.

Aber halt! Auch beim Fernsehen wird wiederholt! Wer die Rappelkiste wirklich kontinuierlich durchlaufen lässt, darf sich Nachts oftmals die Wiederholungen des Vortags anschauen. Einziger Unterschied zum Tagesprogramm sind die Werbeeinblendungen, die in der Nacht ruhig etwas freizügiger und dafür aber auch platter sein dürfen. Also, macht es da noch einen Unterschied, ob man YouTube in der Endlosschleife laufen lässt oder sich im TV zweimal den gleichen Mist antut?

Und ja, es gibt einen gewaltigen Unterschied. Während der Rezipient beim Fernsehen nur den Kanal bestimmt, auf die ausgestrahlten Inhalte jedoch überhaupt keinen Einfluss hat, ist er bei seiner Videowahl auf YouTube wesentlich freier. Dies liegt an den unzähligen Kanälen, welche thematisch ein wesentlich breiteres Spektrum offerieren. Hinzu kommen noch Playlists, die zwar auch themenorientiert, dafür jedoch kanalunabhängig sein können.

Die Unterhaltung via YouTube erfordert auf jeden Fall ein größeres Maß an Rezipientenbeteiligung als beim Fernsehen, den man einfach nur einzuschalten braucht, dafür läuft am Ende jedoch auch nur das, was man wirklich sehen will, es sei denn, man ist bereits glücklicher Abonnent von „TV on Demand“ Angeboten.


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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