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Gedanken-Gänge V: Blindheit – eine Behinderung? Eine Einschränkung? Oder einfach das, was man daraus macht?!

Erst neulich führte ich wieder die unnötige Diskussion, was blind zu sein eigentlich bedeutet. Unnötig, weil sich die sehende Person, mit der ich diskutierte, partout nicht von ihrem Standpunkt abbringen ließ. Blindheit sei definitiv eine Einschränkung, so wie viele andere Behinderungen auch – bekam ich zu hören, leider auch wieder mit diesem leicht mitleidigen Unterton.

Aber was bedeutet Einschränkung. Was bedeutet es für einen selbst, ein Handikap zu haben und damit umzugehen?

In meinem vorigen Posting ging ich auf das Thema ein, wann ich für mich feststellte, dass ich „anders“ bin, als die Anderen hinsichtlich meines Handikaps. Und ich kam zu dem Schluss, dass der Begriff „anders“ eigentlich völlig fehl am Platz ist. Ich bin „nur“ blind, nicht „anders“, nicht „komisch“ und all die Dinge, die einem oftmals an den Kopf geworfen werden. Und „eingeschränkt“ bin ich schon mal gar nicht – zumindest nach meinem Verständnis.

Genau genommen bin ich es ja doch, denn für einige Dinge im Alltag bedarf es als Blinder nun einmal der Hilfe Sehender, aber ist das so verwerflich? Ist es verdammt so schlimm, sich über die Straße, von A nach B, helfen zu lassen? Bin ich deswegen gleich eingeschränkt in meiner Mobilität und unselbstständig? Nein, ich bin es nicht! Ich komme von A nach B und das auch noch selbstständig. Denn ich starte vom Ausgangspunkt allein und nehme nur etappenweise Hilfe in Anspruch; habe also keine Non-Stop-Begleitung. Und Hilfe anzunehmen, zu wissen, wann ich sie brauche und wann nicht, zu wissen, wie und wo ich sie einfordern kann, gehört zur Selbstständigkeit dazu – nur haben dies viele Blinde und durchaus auch viele Sehende, die nicht fragen wollen, weil sie einfach zu stolz sind, nicht begriffen.

Ich bin soweit eingeschränkt, wie ich mich selbst einschränke bzw. von anderen Personen einschränken lasse. Wenn man ein „Das geht nicht“ oder „Das kannste nicht, weil du blind bist!“ gleich verinnerlicht, ohne es dennoch ausprobiert zu haben, so ist es kein Wunder, wenn man den Sehenden in diesem Punkt Recht gibt. Natürlich. Es gibt Dinge, die kann ich als (vor allem Geburts-)Blinder nicht leisten. Mit Farben kann ich nichts anfangen, mit einem Sonnenuntergang – rein visuell – auch nicht. Ich kann nur erahnen, wie Farben wirken könnten und ich kann nur anhand von Anhaltspunkten und der Atmosphäre vor Ort versuchen, den Sonnenuntergang nachzuvollziehen.

Seit ich mich aktiv mit dem Thema Blindheit auseinandersetze, stören mich die eher negativ besetzten Ausdrücke wie eben dieses „Behindert“ oder „Eingeschränkt“. Das Wörtchen Handikap klingt hingegen abgeschwächter, freundlicher. Sicherlich jedoch nur, weil die anderen beiden Begriffe seit je her eher mit negativen Eigenschaften in Verbindung gebracht werden.

Doch es sind letzten Endes nur Begrifflichkeiten, an denen wir uns jedoch regelmäßig aufhängen, gerade hinsichtlich dieser wirklich ausufernden Diskussion um korrekte Umgangsformen und die sog. „Political Corectness“, mit der man aber mehr falsch machen kann, als einem lieb ist – aber das ist wieder ein anderes Thema.


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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