Kategorien
Artikel und Essays

Fünf Tage Jekaterinburg – Ein Reisebericht

Tag 5: Zurück nach Deutschland

Freitag, 23.05.2014

Nach dem sehr tollen Vortag blieben mir nur noch wenige Stunden, um zu schlafen, denn um 5:20 Uhr wollten mich Oleg und Elena bereits vom Hotel abholen. Da wir nach dem Clubbesuch jedoch erst gegen 1:00 Uhr im Hotel eingetroffen waren, beschloss ich, die verbliebenen Stunden zum Packen zu nutzen und, um außerdem die Eindrücke der letzten Tage ein wenig Revue passieren zu lassen.

Klar war ich müde, aber sich für vielleicht zweieinhalb Stunden aufs Ohr legen? Da biste gerade eingeschlafen und darfst sofort wieder raus… Dann doch lieber im Flugzeug oder nach Ankunft ein wenig ausruhen.

Die restlichen Stunden im Hotel vergingen am Ende schneller als gedacht. Pünktlich um 5:15 Uhr stand ich unten im Foyer und wurde auch bereits erwartet.

Wir brauchten mit dem Auto wieder ca. eine Viertelstunde, bis wir den Flughafen erreichten. Am Eingang wurden alle Gepäckstücke kurz durchleuchtet, bevor man sich auf dem Weg zum „richtigen“ Check In machen konnte. Dort angelangt, orderte Oleg auf Russisch für mich eine Assistenz, die mir ab der Sicherheitskontrolle behilflich sein sollte, denn auch wie in Deutschland, durften die Ticketlosen nicht mit durch die Kontrollen zum Gate.

Die Zeit bis zum Abflug nutzten wir für ein kleines Frühstück, bestehend aus einem Stück Kuchen und einer Tasse heißer Schokolade. Und ich sage Euch, so etwas habe ich vorher auch noch nie getrunken. Die heiße Schokolade schmeckte, als hätte man einfach eine Tafel weiße Schokolade aufgekocht. Sie war dickflüssig und verdammt süß. Ein Glück gab es ein Glas Wasser dazu, um das Gebräu hinunter zu spülen. Der Kuchen hingegen war sehr lecker.

Kaum hatten wir unser Frühstück beendet, wurde ich auch schon von jemand vom – wie sie es scheinbar in Russland nennen – Medical Service abgeholt.

Wir drängelten uns an den Wartenden bei der Sicherheitskontrolle vorbei, ich legte meinen Rucksack und – sicherheitshalber – auch meine Jacke aufs Band, bevor man mir wieder in Taschendiebmanier in wenigen Sekunden die Jackentaschen ausräumen würde. 😉 In diesem Zusammenhang stellte ich mir die Frage, warum Sprengstoffkontrollen bei Laptops und ähnlichen Geräten nur bei der Einreise nach Russland und nicht bei der Ausreise vorgenommen wurden? Ich dachte bis jetzt immer, der Westen hätte auch zum Teil Angst vor Terroranschlägen? Nun gut, mir sollte es Recht sein, um so schneller konnte es nämlich auch weitergehen.

Wo ich in Deutschland vor allen anderen Reisenden das Flugzeug betrat, fuhren wir hier gemeinsam mit allen anderen Passagieren mit dem Zubringerbus vom Gate zum Flieger.

Auf dem Flug nach Moskau Vnukovo hatte ich die Sitzreihe für mich. Da das Flugpersonal ausreichend Englisch sprach, war dieser Umstand auch kein Problem, da ich ja keinen Übersetzer benötigte.

In Moskau wurde ich, nach dem alle Passagiere den Flieger verlassen hatten, von jemandem vom Sicherheitsdienst abgeholt.

Da der Transferbus zum Gate bereits weg war, fuhren wir mit einem Kastenwagen, bei dem man im Laderaum einen Stuhl festmontiert hatte. Etwas komisch kam ich mir hier schon vor, denn ich fühlte mich irgendwie ein wenig eingesperrt oder zumindest abgeschottet. Die Fahrt dauerte jedoch nicht lange – sie war aber auch nicht die letzte dieser Art für diesen Tag.

In Vnukovo musste ich insgesamt viermal meinen Pass vorzeigen, warum habe ich nicht erfragt, die Antwort wäre man mir, aufgrund fehlender Englischkenntnisse, eh schuldig geblieben.

Ich hatte beim Rückflug nach Deutschland aber auch Glück. Mein Gepäck wurde dieses mal direkt zwischen den Fliegern transportiert, ohne dass ich vorher aus- bzw. wiedereinchecken brauchte.

Rund zwei Stunden Wartezeit galt es nun zu überbrücken, in denen ich ein wenig vor mich hindöste.

Eine halbe Stunde vor Abflug sammelte man mich wieder ein, schleuste mich durch die Sicherheitskontrollen und steckte mich wieder in den ominösen Kastenwagen. Wir fuhren eine kurze Strecke und dann war erst mal Endstation. Scheinbar hielt man es jedoch auch nicht für nötig mir mitzuteilen, warum bzw. worauf wir jetzt genau warteten? Ich denke jedoch, dass wir entweder zu früh dran und/oder der Flieger noch nicht startklar (also „ready for boarding“) war.

Nach ca. fünfzehnminütiger Wartezeit wurde ich endlich herausgelassen und in den Flieger geführt. Kurz darauf kamen auch schon die anderen Passagiere an Bord; der Flieger war gerammelt voll.

Neben mir saß ein älteres Pärchen aus Russland, welche mir während des Fluges (ein letztes mal) beim Dolmetschen behilflich war.

In Hannover angekommen, durfte ich dieses mal sehr lange auf die Leute vom DRK warten. Ich hatte zunächst überlegt, ob ich für Hannover überhaupt eine Assistenz anfordern sollte.

Die Passagiere hatten alle den Flieger bereits verlassen und das Räumungskommando war bereits angerückt, um ein wenig aufzuräumen, Staub zu saugen und den Müll zu beseitigen.

Bei dem Gewusel ruhig auf meinem Sitzplatz zu bleiben und abzuwarten? Das wurde mir irgendwann zu blöd und so stand ich kurzerhand auf, schnappte mir Stock und Handgepäck und machte mich auf dem Weg zum Ausgang. Sehr häufig, das wusste ich noch von früheren Flügen mit meinen Eltern, dockten die Flieger direkt an einer Schleuse an, über die der Fluggast direkt ins Flughafengebäude gelangen konnte. Es war also kein Bustransfer nötig.

Und so war es auch dieses mal. Auf meinem Weg in die Freiheit hielt mich auch keiner auf. Alle waren wohl auch viel zu sehr mit Aufräumen beschäftigt, um überhaupt weiter von mir Notiz zu nehmen.

Auf dem Weg durch die Schleuse hörte ich von vorne irgendwann eine Stimme rufen: „Ach, da kommt er ja schon“. Ich dachte nur: „Ja, wow, seid Ihr auch schon da?“

In mir bereits bekannter Drängelmanier mogelten wir uns an den Wartenden Ankömmlingen vorbei und wo es die Möglichkeit gab, durch eine verschlossene Tür den Weg etwas abzukürzen, taten wir dies natürlich auch. Manchmal hat die Assistenz vom DRK (oder von wem auch immer) am Flughafen auch seine Vorteile.

Fazit: Fünf Tage Russland: Das Land mit den vielen Vorurteilen

In einem anderen Reisebericht zu Skandinavien las ich vor einiger Zeit, dass wir Urlauber in einem fremden Land oftmals auch die rosarote Brille aufhätten. Wir empfänden alles als toller oder besser im Vergleich zum eigenen Land. Für Skandinavien konnte ich ihm da nicht zustimmen, denn es gab definitiv Dinge, die – ob rosarote Brille oder nicht – um einiges besser liefen als bei uns.

An diesem Satz musste ich jedoch auch nach Rückkehr aus Russland denken. Mit vielen Vorbehalten wurde ich vor meiner Reise konfrontiert, einige Warnungen wurden ausgesprochen und Bedenken bezüglich der Sicherheit geäußert. Und am Ende ist nichts von alledem eingetreten. Ich bin weder von Taschendieben beklaut, noch schlecht behandelt oder Opfer von Bürgerkriegen geworden. Das irgendwie für die osteuropäischen Länder allgemein vorherrschende Vorurteil, die Menschen hier wären kühl und weniger hilfsbereit, konnte ich auch für Russland nicht bestätigen. Klar, an den teils rauen Umgangston musste man sich erst mal gewöhnen, aber genau so lernt man am Ende die sehr herzliche Gastfreundschaft zu schätzen – eines der positiven Dinge, die mir vorab ebenfalls berichtet wurden und etwas, das ich dieses mal auch hundertprozentig bestätigen kann.

Und sie kannten aber auch die Vorurteile, die wir Westeuropäer hegten und pflegten. Dies bemerkte ich in kleinen Gesprächen immer wieder. Es machte sie, so mein Eindruck nicht traurig, sie betrachteten es eher mit einem Augenzwinkern und waren am Ende sehr stolz, mir am Ende auch das Gegenteil beweisen zu dürfen.

Mich hat dieser Stolz auch beeindruckt und ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, warum wir diesen nicht haben? Warum wir Fußball-WM und ähnliche Dinge brauchen, um sagen zu können, „ich bin auf mein Land stolz“! Der Krieg ist vorbei und ich als bald dreißigjähriger Deutscher sage, ich brauche mich diesbezüglich für nichts mehr zu schämen oder gar zu rechtfertigen. Und wenn es darum geht, dass einem die Politik des eigenen Landes nicht gefällt? Dies macht aber nicht alles im eigenen Land aus, aber vielleicht haben wir es auch zu schätzen verlernt?

Und mit diesen leicht philosophischen Gedanken sage ich jetzt: Tschüss, bis zur nächsten Reise!

Vielen Dank!

Ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle an Oleg und seine Crew von White Cane NGO, ohne die dieser Trip nicht möglich gewesen wäre!


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.