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Brauchen wir ein ‚blindenfreundlicheres‘ Fernsehangebot?

Wer kennt es nicht. Man sitzt im Kinosaal und schaut sich einen atemberaubenden Streifen an. Schnelle Kamerafahrten, aufwendige Special Effects und natürlich wieder der gut aussehende Hauptdarsteller sind zu bestaunen und bleiben prägend in Erinnerung (nicht umsonst verbinden wir mit einem Film als erstes einen der Darsteller). An zweiter Stelle rückt – vielleicht – der Ton mit all seinen Facetten. Angefangen beim Dialog zwischen zwei Figuren, bis hin zur begleitenden Filmmusik. Da aber der Sehsinn bis zu 80% der Wahrnehmung eines Menschen ausmacht ist es nur all zu verständlich, wenn die akustischen Eindrücke eher ins Hintertreffen geraten. Film ist nun mal ein audio-visuelles Medium, bei dessen Inhalt es mehr auf die Bilder und die visuellen Effekte ankommt, schließlich schauen wir einen Film und hören ihn nicht nur bloß… Aber ist dies wirklich so? Nicht umsonst schon erhielten in der Vergangenheit Filme Auszeichnungen für ihr Sound-Design oder die grandiose Filmmusik. Zudem hat sich in den letzten Jahrzehnten der neue Berufszweig des Sound-Designers beim Film herauskristallisiert. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass sich Kino soundtechnisch in den letzten Jahrzehnten massiv weiterentwickelt hat und selbst im privaten Rahmen aufwendige Dolby Surround Anlagen für den Filmgenuss genutzt werden können.

In der Medienwissenschaft ist die Auseinandersetzung mit der Tonspur im Film unterrepräsentiert. Ton wird meist als gesamten Komplex verstanden, der im engen Zusammenhang mit dem Bild zu sehen ist. Es „geistert bis heute in filmwissenschaftlichen Texten das Vorurteil herum, dass Töne ohne das Bild ihrer Quelle nicht oder nur beschränkt identifiziert werden könnten, sogar in Texten, die sich ausschließlich mit der Tonspur befassen“ (Flückiger 2002: 111). Dies ist sehr bedenklich, da doch „Geräusche sehr viel direkter und präziser als Bilder in die für die Erregung von Gefühlen zuständigen Hirnregionen hineinzielen“ (Segeberg 2005: 10). Spinnt man den Faden weiter, so könnte man aus der bei Barbara Flückiger zitierten Aussage folgern, dass der Zuschauer einen Film nur dann richtig erfassen und verstehen kann, wenn er die Bilder vor Augen hat. Einen Film nur anhand seiner Tonspur zu erfassen wäre demnach eher ausgeschlossen.

Nicht umsonst gibt es seit vielen Jahren das Angebot der sog. „Audiodeskription“, welches sich gezielt an blinde Filmnutzer richtet. Hier werden, im Zweikanal-Verfahren, auf dem 2. Tonkanal die Bilder und Geschehnisse eines Filmes akustisch wiedergegeben. Im Kino können blinde Menschen inzwischen entweder auf Bildbeschreibungen via Infarotkopfhörer oder Mittels einer Neuen App („Greta“) zurückgreifen. Jedoch ist das Angebot an audiodeskriptivem Material Vergleich mit der Hülle und Fülle an Sendungen und Kinofilmen, spärlich gesät, bedenkt man die Vielfalt der Programm- und Kinoangebote und die somit unterschiedlichen Rezeptionsgewohnheiten der Zuschauer.

Aber es bedarf nicht unbedingt immer einer Bildbeschreibung, denn man kann einem Film sehr wohl nur entlang der Tonspur (ver)folgen. Dies setzt voraus, dass die Handlungen durch Dialoge, durch Aussagen, durch die Geräuschkulisse oder aber durch die Filmmusik ausreichend kommentiert werden. Die Tonspur ist zwar ein in der Wissenschaft etwas vernachlässigter Teil des gesamten Mediums Film, ist aber dennoch – allein schon durch die heutigen technischen Möglichkeiten des Sound-Designs – zu einem komplexen Gebilde herangewachsen. Was vereinfacht immer als „der Ton“ bezeichnet wird, ist ein Zusammenspiel aus Geräuschen, Dialogen und Musik (Bildton oder Fremdton), die auf aufwendige Art und Weise miteinander kombiniert bzw. zusammengefügt werden können. Vernachlässigt auf Grund der oben genannten Tatsache, dass Ton meist nur im Zusammenhang mit Bild zu sehen ist.

Seit einigen Jahren ist ein Trend zu beobachten, nach dem der Klangteppich eines Filmes oder der einer Fernsehserie sehr dicht ist. Dies bedeutet, dass er aus zahlreichen Geräuschen, Effekten, Tönen und Musik zusammengesetzt wird. Dies findet sich vor allem im Sektor des sog. „Quality TV“ wieder, zudem US-Amerikanische Krimi- und Profiler-Serien wie C.S.I. oder 24 zählen. Aber auch der Science Fiction Film weist Charakteristika auf. Das Unbekannte, das Künstliche und das Ungreifbare hörbar zu machen, ist eine Aufgabe, der sich in zahlreichen Filmen des Genres Sounddesigner stellen mussten. Gerade in diesem Bereich wird auf die sog. Generalisierung zurückgegriffen, hierunter versteht man stereotype akustische Darstellungen (z. B. Grillenzirpen bei Nacht).

Fragten 1999 Elmar Dosch und Bernd Benecke in einem Aufsatz zur Fernseh- und Hörfilmnutzung, ob das Fernsehen blindenfreundlicher werden soll (vgl Dosch/Benecke 2004), so stellt der Autor dieses Aufsatzes die eher umgekehrte Frage: Muss Fernsehen überhaupt blindenfreundlicher werden? Ist die Rezeption und Wahrnehmung von Fernsehinhalten nicht sogar weniger eine Frage des Angebots (hier in Form von Hörfilmen) als eine Frage der Mediensozialisierung (Fern sehen lernen)?

Diese Frage soll im folgenden kurz umrissen werden. Erfahrungen aus der eigenen Fernseh- und Filmrezeption des Autors sowie ein Modell zur Tonspurenanalyse beim Spielfilm (Flückiger 2002) dienen hierfür als Grundlage.

Barbara Flückiger geht in ihrer Arbeit zum Sound-Design zunächst davon aus, dass man, um ein Geräusch zu erkennen, nicht unbedingt den Verursacher vor Augen haben muss. Wäre dem nicht so, so dürfe eine Person im Film nur dann sprechen, wenn ihr Mund auf der Leinwand zu sehen wäre. Die heisere Großmutter könne man somit auch nicht mehr am Telefon erkennen, weil man sie in diesem Augenblick nicht zu sehen bekäme. (Vgl. Flückiger 2002: 103ff). Die Wiedererkennung eines Geräuschs hängt – laut Flückiger – auch von den alltäglichen Gegebenheiten und Gewohnheiten ab. Jeder kennt das Martinshorn und weiß auch, was es bedeutet, unsere Großeltern und Urgroßeltern kannten (und kennen z. T. noch heute) das Sirenensignal bei Luftangriffen, Mütter erkennen aus Erfahrung am Schreien ihres Babys, was es gerade braucht, ohne direkt neben ihm zu stehen, wir erkennen an der Stimme des Gesprächspartners am Telefon den derzeitigen Gemütszustand, ohne den Gesichtsausdruck zu sehen – und man könnte die Liste der Beispiele noch so weiterführen. In der Hierarchie der Sinne stand die optische Wahrnehmung nicht immer an erster Stelle, denn in der menschlichen Entwicklung ist die auditive Wahrnehmung vor der visuellen ausgebildet“ worden. (Flückiger 2002: 103) Nicht umsonst können bestimmte Klänge und akustisch wahrgenommene Atmosphären von Räumen bei uns Erinnerungen hervorrufen und Bilder vor unserem inneren Auge erscheinen lassen. (Flückiger 2005: 141)

Übertragen auf den Film bedeutet dies also, dass wir einen Ton, ein Geräusch auch ohne, dass der Lärm verursachende Gegenstand im Bild zu sehen ist, identifizieren können. Diese Identifizierung der Geräusche und Töne im Film geht nicht ohne eine gewisse Generalisierung seitens der Sound-Designer von statten. Unter Generalisierung „versteht man die Überbetonung von Ähnlichkeiten. „Wenn Grillen und Hundegebell entfernt […] unabhängig von der geographischen Situierung Nacht bedeuten, wird diese Strategie hörbar. Gleichzeitig bedeutet Generalisierung das Ausblenden von Unterschieden“ (Flückiger 2005: 155). In unserem Nachtbeispiel bedeutet diese Ausblendung, dass der Ort, an dem es jetzt Nacht ist, keine Rolle spielt, die Nacht wird im Film meist gleich klingen. Aber nicht überall wird mit dieser Art des Designs gearbeitet. Oftmals wird auch versucht, die Tonspur so real wie möglich klingen zu lassen, um bspw. spezielle historische Situationen adäquat zu gestalten (Flückiger 2005: 147). Wobei dieser Anspruch des Realen Klangerlebnisses eher eine Ausnahme bildet. So klingt der Aufzug in „Speed“ (USA 1994, Jan de Bont) eher unnatürlich. Generell wurde die gesamte Aufzug-Sequenz mit vielen, teilweise undefinierbaren Sounds kreiert. Aber die Tonspur soll auch nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern die Emotionen steuern (vgl. Flückiger 2005: 147/148).

Ein weiterer Aspekt bei Flückiger ist die materielle Unterscheidung. Was klingt; wie klingt es und wo klingt es? Diese Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre Tonspur-Analysen. „Klingende Materialien sind besonders leicht zu beschreiben. Die materielle Komponente der Klangerzeugung ist vielleicht noch stärker generalisierbar als die Zuordnung des Geräuschs zur Quelle. […] Holz, Metall, Wasser, Stein oder Papier hinterlassen eindeutige Spuren“ (Flückiger 2002: 105, 108).

Ausgehend von dieser theoretischen Grundlage ließe sich somit eine Filmtonspur anhand unserer im Laufe der Zeit erlangten Kenntnisse von Umweltgeräuschen und Klanggegebenheiten als auch der persönlichen Erfahrungen und Emotionen verfolgen. Ein weiterer, bei Flückiger nicht erwähnter Aspekt, ist der Dialog. Figuren reden im Film miteinander. Auch wenn im deutschsprachigen Raum oftmals von Liebhabern der Englischen Originale die zu starke Emotionalisierung bei der synchronisierten Stimme kritisiert wird, bietet sie gerade blinden Filmnutzern einen Anhaltspunkt über die Gefühle der Figur, ohne dass der Gesichtsausdruck beschrieben werden muss. Ein Lachen ist hörbar, ob nun in Form der Stimme oder – wie bei einem Lächeln – am Atemgeräusch.

Natürlich gehen dennoch viele Informationen verloren. Denn nicht immer wird gesprochen und die Handlung der Figuren durch Dialoge untermalt und kommentiert. Dies gilt vor allem für das Aussehen von Personen und Gegenständen. Ein Defizit aus der Sicht des blinden Fernsehnutzers, welcher somit lieber auf ein Hörfilm-Angebot zurückgreift, da in ihm alle benötigten Informationen vorzufinden sind. Zu bedenken sei jedoch, dass auch im Hörspielsektor der Zuhörer nicht immer akustisch an die Hand genommen wurde: Gerade alte Radiokrimis der 1950er und 1960er Jahre verzichten auf einen erklärenden und erläuternden Erzähler (z. B. die vom NWDR/WDR produzierten Hörspiele um den Hobbydetektiv Paul Temple). Hier obliegt es auch der Fantasie des Zuhörers, wie die Personen gekleidet sind, wie ihre Wohnung gestaltet ist, aus was für einer Tasse sie ihren Nachmittagstee schlürfen und mit was für einem Auto sie fahren. Für die Handlungen spielen diese Informationen eine untergeordnete Rolle.

Wenn man also das Nicht vorhanden sein von Informationen soweit akzeptiert und sich auf aktuellere Fernsehangebote einlässt, so lassen sich, vor allem in modernen, schneller geschnittenen Produktionen, auf Seiten der Tonspur ähnliche Muster erkennen. In der US-amerikanischen Profiler-Serie „C.S.I. Miami“ wurden sämtliche Handlungen von den Figuren direkt oder in Form von kurzen, mit Geräuschen und Dialogen untermalten, Rückblenden erläutert. Der blinde Fernsehzuschauer weiß am Anfang zwar nicht, wer hier wen wie und womit umgebracht hat, weiß es jedoch spätestens während der Spurensicherung und nach der Täterbefragung. Eine Bildbeschreibung in solchen Serien wäre jedoch undenkbar, wenn nicht sogar eher unmöglich: Für Audiodeskription bedarf es einiger Dialogpausen, um die Handlungen ausreichend beschreiben zu können. Da die Szenen in Serien wie „C.S.I.“ jedoch in schneller Folge geschnitten wurden und der Klangteppich aus moderner Pop- und Rockmusik, schnellen Beats, Geräuschen, Special Sound Effects und Dialoge ungeübte Fernsehzuschauer schnell überfordern könnte, wäre eine zusätzliche Bildbeschreibung hier eher Fehl am Platz. Anders verhält es sich bei Filmen, die von ihrer Erzählstruktur ein etwas langsameres Tempo einschlagen, da sie sich auch an ein ganz anderes Zielpublikum richten. Längere Sequenzen, in denen ausschließlich Musik zu hören ist und der sehende Rezipient Kamerafahrten (z. B. durch eine Landschaft) beobachten kann, bieten viel Freiraum für eine angemessene Bildbeschreibung. Oftmals wird durch sie aber auch hier die Atmosphäre unterbrochen, denn Film wirkt auch durch seine Musik und die Geräuschebene. Wenn diese durch Fremdton durchbrochen wird, geht dann nicht ein Teil dieser akustisch vermittelten Atmosphäre verloren? Oder sollte man dies lieber, zu Gunsten des durch die Beschreibungen komplettierten Inhaltes, in Kauf nehmen?

Diese Frage stellt sich vor allem bei der Rezeption von Kinofilmen, welche mit einer Audiodeskription ausgestattet sind. Die Beschreibungen werden hier in jedem Fall (außer bei Sonderveranstaltungen) Mittels Kopfhörer wiedergegeben. Dies geschieht via Infarot (vom Kino gesteuert) oder neuerdings auch Mittels Smartphone-App, welche eine Auswahl an Bildbeschreibungen anbietet und diese durch das Mikrofon am Headset bzw. am Gerät synchronisiert. Aus Sicht der Hörfilmnutzer ein längst überfälliger Schritt. Doch lebt das Kino auch durch seinen bombastischen Sound, welcher durch die im Saal verteilten Lautsprecher wiedergegeben wird.

Dieses Für und Wieder zeigt jedoch, dass Fernsehnutzung durch blinde Menschen nicht nur eine Frage der angebotenen Audiodeskription ist. Wie nutze ich Fernseh- und Filmangebote? Bin ich bereit Kompromisse einzugehen oder möchte ich möglichst uneingeschränkt den Film sehen und verstehen können? Was bedeutet Audiodeskription für den Nutzer: Freiheit, da das Fernsehen sonst eher unzugänglich für ihn ist? Oder bedeutet es sogar in gewisser Weise Einschränkung, weil nicht alles das, was er sich zu schauen wünscht, mit Bildbeschreibungen ausgestattet wird? Denn immer noch strahlen ausschließlich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Hörfilmangebot für Blinde aus.

Zu vermuten ist, dass diese Frage, ob Hörfilm eher Freiheit oder Einschränkung im Fernsehkonsum bedeutet, mit der eigenen Mediensozialisierung zusammenhängt. Wie hat der Rezipient gelernt, mit diesem visuell ausgelegten Medium umzugehen und seinen Nutzen daraus zu ziehen? Nutzt er quasi seit Geburt blind dieses Medium oder erfolgte, im Lauf seines Lebens aufgrund einer Erblindung, eine Umorientierung? Selbst wenn er mit dem Fernsehen blind aufgewachsen ist, spielt die Epoche eine nicht minder wichtige Rolle. Ein Kind der 1980er Jahre, welches schon früh an schnelle Abfolgen, viel Sounds und Beats im Film gewöhnt wurde, wird heute vielleicht eher einen leichteren Zugang zu nichtbeschriebenen Inhalten haben, als jemand, der in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsen ist, wo das Fernsehen behäbiger war, wo es schon mal eine halbe Filmlänge dauern konnte, bis im „Tatort“ endlich die Leiche präsentiert wurde. Ein reines Zuhören kann da schon langweilen, da auch der Einsatz von Geräuschen eher spärlich vorhanden war.

Die Frage nach einem „blindenfreundlicheren“ Fernsehangebot ist jedoch nicht nur von Seiten des Rezipienten zu beantworten. Hörfilmangebote finden ausschließlich in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten statt. Dies schränkt somit auch das Angebot ungemein ein. Wirft man einen Blick auf die aktuell angebotenen Hörfilme (z. B. über die Fernsehzeitschrift „Hör Zu“), so fällt auf, dass in Deutschland vor allem eigene Fernsehfilme, der obligatorische „Tatort“ nebst Wiederholungen auf den dritten Programmen, Fernsehfilm- und Kinoklassiker, Festivalgewinner, sowie einige wenige, ausgewählte Shows (wie „Wetten, das…“) und Reportagen im Hörfilmangebot vorzufinden sind. Ergänzt wird dies durch ausgewählte Angebote für Kinder. Das junge Zielpublikum bleibt hierbei dennoch auf der Strecke, wobei man fairerweise nicht außer Acht lassen darf, dass zum einen ein Großteil der blinden Menschen über 50 Jahre alt ist und somit auch die anvisierte Zielgruppe größtenteils erreicht wird und zum anderen, wie oben schon erwähnt, jüngere Fernsehzuschauer vermutlich sich eh nicht all zu stark von der Frage, ob und inwieweit ein Film mit Audiodeskription ausgestattet ist, bei der Auswahl leiten lassen. Auch jungen Fernsehrezipienten ist eine Bildbeschreibung wichtig, sie fordern diese, wenn nicht vorhanden, u. A. bei mitschauenden sehenden Freunden ein, aber sie spielt keine dominierende Rolle (vgl Ohrens 2009).

Schaut man einmal über den Tellerrand hinaus, so fällt auf, dass der Österreichische Rundfunk (ORF), was den kulturellen Auftrag und die damit verbundene Vielfalt anbelangt – ARD und ZDF nebst dritte Programme verfolgen diesen ja auch – ein besseres und breit gefächerteres Angebot bieten. Hier finden auch Reality Shows, wie der Österreichische Ableger von „Let’s Dance“ („Dancing Stars“), Sport („Formel Eins“, „Fußball Europa League“ oder ein Behindertensportmagazin) sowie US-Amerikanische Serien („Scrubs – die Anfänger“ oder „Die Nanny“) ihren regelmäßigen Platz im täglichen Hörfilmangebot. Diese Serien wurden und werden in Deutschland meist von den privaten Fernsehanstalten ausgestrahlt, somit fällt hier eine Ausstrahlung als Hörfilm vorerst weg, es sei denn, der öffentlich-rechtliche Rundfunk erweitert seinen Programm- und Sendungsaustausch, sodass auch solche Angebote Einzug in das hiesige Hörfilmangebot erhalten können.

Brauchen wir also ein blindenfreundlicheres Fernsehen?! Unsere Gesellschaft neigt zu Über-Forderungen. Damit meint der Autor, dass all zu schnell auf die Rechte (z. B. an Teilhabe am kulturellen Leben) gepocht und sehr viel Kraft in das Durchsetzen dieser Rechte verschwendet wird. Damit ist jedoch keinesfalls gemeint, das Filmangebote mit Audiodeskription abgeschafft und weniger ausgebaut werden sollten! Blinde Fernsehinteressierte, gerade der jungen, heranwachsenden Generation, sollte auf jeden Fall der Zugang zu allen Fernsehangeboten, ob nun mit oder ohne Beschreibung, gewährt werden. Blinde können fernsehen und sie können es, wie ihre sehenden Kollegen, auch lernen. Dazu zählt auch, dass der blinde Rezipient für sich herausfindet, welchen Stellenwert Geräusche, Musik und Dialog bei der non-visuellen Filmwahrnehmung haben können und dass auch Angebote ohne Beschreibung viel zu bieten haben. Man kann immer mehr fordern, nach mehr Hörfilmen, auch für jüngere Menschen (unter 30), verlangen. Man sollte sich jedoch nicht hinsichtlich der eigenen Fernsehinteressen und Präferenzen zu Gunsten des Hörfilmangebots ausrichten, sondern sich selber und den eigenen Rezeptionswünschen treu bleiben.

 

Dieser Text entstand im Auftrag der Insa Consulere, Erfurt, im März 2014.

Literatur und Quellen

Literatur

Dosch, Elmar/Bernd Benecke (2004): Wenn aus Bildern Worte werden. Durch Audiodeskription zum Hörfilm. 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. München.
Flückiger, Barbara (2002): Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films. Marburg: Schüren. 2. Auflage 2002.
Flückiger, Barbara (2005): Narrative Funktionen des Filmsounddesigns: Orientierung, Setting, Szenographie. (In): Segeberg, Harro/Frank Schätzlein (Hg.): Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien. Marburg: Schüren. S.140ff.

Ohrens, Christian (2009): Fernsehnutzung blinder Menschen. Eine quantitative Studie zur Fernsehrezeption 12 bis 19-jähriger blinder Kinder und Jugendlicher. München. GRIN Verlag.

Schätzlein, Frank (2005): Sound und Sounddesign in Medien und Forschung. (In): Segeberg, Harro/Frank Schätzlein (Hg.): Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien. Marburg: Schüren. S.24ff.
Segeberg, Harro (2005): Der Sound und die Medien. Oder: Warum sich die Medienwissenschaft für den Ton interessieren sollte. (In): Segeberg Harro/Frank Schätzlein (Hg.): Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien. Marburg: Schüren. S.9-24.

Internetquellen


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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