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Gedanken-Gänge VIII – Der Glaube kann Berge versetzen… Doch sehen können wir durch ihn noch lange nicht

Es gibt so viele Dinge, an die wir glauben können – und es gibt genau so viele Menschen, die genau das tun: Sie glauben einfach an das Gute im Menschen, an ein Leben nach dem Tod, an Götter, Vorhersehungen, Außerirdische… und die Liste könnte so weiter gehen.

Einmal, es ist schon etwas länger her, begegnete mir jemand auf der Straße, der im festen Glauben war, dass ich, durch sein Zutun, durch Gebete und den festen Glauben an Gottes Macht, wieder sehen könnte. Ob dies nun eher im übertragenen Sinne gemeint war lassen wir mal außen vor.

Der gute Mann ließ sich nicht beirren und er wollte mich nicht mit dem Irrtum gehen lassen, dass genau dies einmal eintreffen sollte. Er bat mich, mir seine Hand auf meine Augen legen und dabei ein Gebet sprechen zu dürfen.

Und in so einer Situation stehste da, überlegst, ob du ihn – entschuldigt die flapsige Wortwahl – zum Teufel jagen oder ihn einfach tun und reden lassen sollst? Sollte ich es also über mich ergehen lassen oder sein „Angebot“ bestimmt, aber freundlich, ablehnen?

Solche und ähnliche Ansprachen habe ich in der Vergangenheit schon des öfteren erlebt. Einer der wohl hartnäckigsten Vertreter war jemand von den Zeugen Jehovas gewesen, den ich etwas energischer in seine Schranken weisen musste. Der Kerl war so gut vorbereitet gewesen auf seinen Besuch, dass er damals sogar diesen – ach, wie heißt noch mal diese von denen herausgegebene Zeitschrift? – naja auf jeden Fall dieses Blatt in Blindenschrift besorgt hatte… Aaaaber, ich schweife vom Thema ab!

Ich habe sein Angebot freundlich abgelehnt. Ich müsse an die Macht Gottes glauben, war seine Antwort. Nun, ich glaube, dass es dort draußen etwas gibt, etwas, das unser Leben bestimmt. Ob es/er/sie nun „Gott“ heißen mag oder sonst wie…

Und dieses „Etwas“ hat gewollt, dass ich nicht sehen kann – war meine Antwort. Doch davon wollte er nichts hören.

Es gibt diesen schönen Spruch, dass der Glaube Berge versetzen kann. Richtig, das mag stimmen. Aber sehen können werden wir dadurch noch lange nicht.

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Blindheit als Aushängeschild und Marketingstrategie

Am zweiten Januarwochenende findet auch in diesem Jahr wieder die Wolfsburger Hochzeitsmesse im Kongresspark statt. Und wie auch schon in den vergangenen drei Jahren, stellt sich wieder die spannende Frage: Wie präsentiert man sich bzw. seine Dienstleistung am besten auf der Messe?

Bei meinem ersten Messebesuch 2011 führte ich eine sehr interessante und anregende Diskussion mit dem Veranstalter darüber, ob man als blinder DJ sein Handikap zu Marketingzwecke gebrauchen sollte.

Der Artikel wurde von mir nochmals überarbeitet und ergänzt. Hier geht’s weiter!

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Gedanken-Gänge V: Blindheit – eine Behinderung? Eine Einschränkung? Oder einfach das, was man daraus macht?!

Erst neulich führte ich wieder die unnötige Diskussion, was blind zu sein eigentlich bedeutet. Unnötig, weil sich die sehende Person, mit der ich diskutierte, partout nicht von ihrem Standpunkt abbringen ließ. Blindheit sei definitiv eine Einschränkung, so wie viele andere Behinderungen auch – bekam ich zu hören, leider auch wieder mit diesem leicht mitleidigen Unterton.

Aber was bedeutet Einschränkung. Was bedeutet es für einen selbst, ein Handikap zu haben und damit umzugehen?

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Wann ich merkte, dass ich blind bin?

Eine Frage, die ebenfalls von Sehenden recht häufig gestellt wird. Hört man genauer hin und hinterfragt ein wenig, so bemerkt man auch sehr schnell diesen Ängstlichen Unterton, als würden sie vermuten, man hätte eine so schwere Kindheit gehabt, weil Kinder so grausam sein und einen aufgrund der Blindheit doch hänseln könnten… Schließlich, so vermuten ja viele (Sehende), lebt man als Blinder in seiner ganz „eigenen Welt“ und führt ein ganz „anderes Leben“…

Dies veranlasste mich zu diesem Beitrag, ein kleiner Sprung in meine eigene Vergangenheit.

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Blindsein heißt nicht, blind zu sein

Blindsein heißt nicht, blind zu sein – zugegeben, ein Titel, der anfangs ein wenig verwirren dürfte. Sollte es sich dabei um eine Anspielung auf den „Kleinen Prinzen“ und dem wohl bekanntesten Satz „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, handeln? Keineswegs!

Es geht um blinde Menschen, um das was sie tun, nicht tun, was andere denken, was sie tun sollen und dürfen und vor allem auch darum, was sie selber über andere blinde Menschen denken, was diese tun könnten oder sollten.

Denn ich musste in den letzten Jahren, vor allem, seit ich in Hamburg mein Medienstudium begonnen und dadurch bedingt sehr viel mit Sehenden zu tun habe, immer wieder feststellen, dass es, vor allem in Blindenkreisen, Dinge gibt, die schnell als ‚unmöglich‘ abgetan werden. Entweder aus eigener Erfahrung (durch Unterhaltungen und dem Austausch mit anderen Blinden), durch die Berichte anderer Blinder, deren Tun schnell kritisiert wurde oder jüngst durch einen diskutierten Werbespot.
Auch durch meine Arbeit beim „Dialog im Dunkeln“ hier in Hamburg wurde ich oft mit der Frage nach dem ‚typischen Blinden‘ konfrontiert. Gibt es ihn oder anders: gibt es das typische Verhalten blinder Menschen? Ich kann hierüber kein Urteil abgeben, dazu müsste man zudem blinde Menschen ausführlichst zu ihrem Leben, ihrem Alltag und ihren Ansichten befragen! Ich kann aber das wiedergeben, was mir zugetragen wurde und natürlich auch aus eigenen Erfahrungen sprechen. Dieser Text spiegelt vor allem persönliche Einstellungen und Gedanken wieder – es ist traurig, dass ich so etwas extra als Hinweis anführen muss, aber es gibt immer wieder Menschen, die man förmlich an die Hand nehmen und denen man sowas vorab erklären muss, sonst fühlen sie sich persönlich angegriffen und es hagelt Kritik.

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Wieso lobt man diesen Schundroman? Überlegungen und Kritik (eines Blinden) zum Buch „Wie Licht schmeckt“ von Friedrich Ani

Er wurde in den höchsten Tönen gelobt. 2005 erschien „Wie Licht schmeckt“, ein Jugendroman von Friedrich Ani, welcher sonst auch durch seine Kriminalromane bekanntgeworden ist.

Kurz zum Inhalt: Lukas ist 14 und ist der Ansicht, er brauche niemanden in seinem Leben. Bis er auf die drei Jahre ältere Sonja trifft und, wie könnte es auch anders sein, sich in sie verliebt. Wäre da nicht ein Haken: Sonja ist blind. Sonja führt scheinbar ihren neuen Freund in die „Welt der Blinden“ ein und Lukas durchlebt im Laufe der Romanhandlung einen Reifeprozess, denn er ist nicht, wie sonst üblich, der sympathische Protagonist, in dem man sich gerne hineinversetzt. Beide erleben verschiedenste Situationen, gehen weg, in die Kneipe, ins Schwimmbad und tun Dinge, die Jugendliche halt tun.

Soweit, so schön. Ani versucht, mit seinem Roman einen Einblick in die Gefühls- und erlebte Welt eines blinden Heranwachsenden zu bieten, mit viel Einfühlungsvermögen. Dabei verkennt er jedoch, dass sich blinde Jugendliche wirklich nicht anders benehmen, als Sehende im gleichen Alter. Denn genau dies trifft nicht auf Sonja zu.

Die blinde Sonja verhält sich asozial, kratzt, kneift, zickt, pöbelt. Wäre sie nicht blind, so meine Vermutung, hätte man ihr Handeln schon längst angeprangert. Doch so ist sie nur die selbstständige Blinde, die uns und vor allem Schülern, als Vorzeigebeispiel in der Schule vorgeführt wird, wenn es um das Thema Blindheit geht. Was ist das für ein Verhalten, wenn Lukas die Frage der Fragen stellt („Wie machst du das eigentlich?!“) und von Sonja lediglich mit einer schroffen, unfreundlichen Antwort zurückgewiesen wird? Auf wenige seiner wirklich guten, ernstgemeinten Fragen, bekommt Lukas nämlich eine ernstgemeinte Antwort. Wenn es darum geht, wie Sonja ihre Freundin gleich beim Betreten der Kneipe erkennt oder wie sie so einfach, allen Hindernissen zum Trotz, im Freibad zum Becken hechten, hineinspringen und Lukas retten konnte. Die Begründungen für diese wunderbaren Leistungen werden nur oberflächlich geliefert. Es braucht keiner Erklärung! Die Vollbringung des scheinbar unmöglichen, einer Sensation, bedarf keiner weiteren Aufklärung.

Stattdessen wird dem sehenden Leser ein Bild eines blinden Jugendlichen präsentiert, bei dem sich die Frage stellt: Woher nahm Ani seine Anregungen? Verhielten sich blinde Menschen in seinem Umfeld ihm gegenüber so unkollegial und unhöflich?

Wir Blinden brauchen uns, nach so einem Schundroman, nicht zu wundern, dass Sehende uns so schüchtern und zurückhaltend gegenübertreten. Müssen sie doch Angst haben, von uns nach gestellter Frage gleich förmlich angegriffen und zerfleischt zu werden! Ich schließe natürlich nicht aus, dass es nicht auch blinde Menschen gibt, die auf eine Frage schroff antworten. Wir alle, blind und sehend, können uns hier nie gänzlich ausschließen, jeder antwortet mal unfreundlich. Nur wird dieser Roman, genau wie „Hell und Dunkel“ von Hans-Jörg Martin, in Schulen gelesen und dürfte somit beispielhaft und vorbildhaft als Wissensvermittler dienen. Auch wenn Buchinhalte zumeist fiktiver Natur sind, können wir Leser uns nie völlig davon frei sprechen, dass wir den geschilderten Inhalten nicht einen gewissen Realitätsgehalt unterstellen – sei es beim Thema Blindheit, psychischer Erkrankung oder bei was auch immer.

Egal was Sonja tut, es gibt selten einen Rüffel. Kann sich ein blinder Jugendlicher somit alles erlauben? Was rechtfertigt ihr Verhalten: allein die Tatsache ihrer Blindheit? Jedem anderen Jugendlichen hätte man schlechte Erziehung oder schlimmstenfalls eine psychische Störung unterstellt – nur nicht Sonja. Sie wird zwar an manchen Stellen im Roman von Lukas ansatzweise zurecht gewiesen, jedoch ohne jegliche wirkliche Konsequenz. Lukas solle keine so dummen Fragen stellen, heißt es. Aber warum soll er das nicht! Sollen Sehende somit keine Fragen stellen und alles so billigen? Ist das die gewünschte Botschaft der Geschichte? Sonja hackt auf Lukas ein, beschimpft ihn, während Vanessa, ihre Freundin, scheinbar teilnahmslos daneben sitzt und alles unkommentiert lässt. Wohlmöglich hat sie die Hoffnung, eine vernünftige Antwort zu bekommen, schon aufgegeben.

Und noch etwas verdeutlicht dieser, aber auch Martin’s Blinden-Roman: Enttäusche keinen Blinden, er könnte es nicht verkraften! Mit erstaunen las ich in „Wie Licht schmeckt“, dass Sonjas Mutter Lukas beiseite nahm und ihm genau diese Botschaft vermittelte. Vielleicht besteht Hoffnung nach einer OP in Amerika, dass Sonja wieder sehen könne. Bis dahin jedoch sollte er nicht mit ihren Gefühlen spielen. Sie hätte bereits einmal Liebeskummer hinter sich und hätte sich völlig zurückgezogen. Natürlich, wer tut dies nicht?! Wer mag schon enttäuscht werden? Oder sind wir Blinden in irgendeiner Form automatisch sensibler, zartbesaiteter und empfindlicher, bloß weil wir blind sind?

Schlimm ist, dass es da draußen wirklich Menschen gibt, die genau das in die Tat umsetzen: Sie enttäuschen keinen Blinden! Lieber schlucken sie Ärger, Missmut und ihren Wunsch, etwas nicht tun zu wollen, zu Gunsten des Blinden und seiner Gefühle runter; sie könnten ihn ansonsten ja verletzen. Das Leben ist kein Rummelplatz, auch nicht für uns Blinde! Auch wir müssen, so wie jeder Sehende auch, lernen, mit Verlust, Enttäuschung und Liebeskummer umzugehen und können uns nicht hinter der Fassade Blindheit verstecken oder uns vom Sehenden hinter diese Fassade abschieben lassen.

Aber auch der Sehende sollte lernen, dass blinde Menschen auch mal schroff antworten können, ja, dass sie sogar das Recht dazu haben, so wie jeder Sehende schließlich auch. Und, wenn ihm das Lesen von Büchern wie „Wie Licht schmeckt“ schon aufgezwungen wird, dass Blind nicht gleich Blind ist – es gibt noch Licht am Ende des Tunnels, wo sich die Realität befindet.

Hat man noch vor einigen Jahren dem Kinderfernsehen eine gewisse Schädlichkeit bezüglich des stereotypen Figurenbildes und dem Einsatz von Gewalt nachgesagt, so frage ich mich, ob derartige (Schul-)Literatur nicht ohne weiteres in die Fußstapfen des Kinderfernsehens treten könnte? Was wir hier zu lesen bekommen ist ein verklärtes Bild von Blindheit und von Alltagsbewältigung. Aber es erklingen von Pädagogen, ja selbst von Literaturkritikern, große Lobeslieder auf diesen Roman. Nur warum? Erkennen Literaturkritiker und Pädagogen die hier aufgezeigten Handlungen nicht?

Ein Grund für den großen Erfolg dieses Romans mag aber auch in der Tatsache, dass viele Sehende noch nie mit einem Blinden und seiner Alltagswelt zu tun hatten, begründet sein. Aber kann das der einzige Erfolgsgrund für „Wie Licht schmeckt“ sein? In der Kritik ist sehr häufig von Einfühlungsvermögen die Rede. Dies mag der Autor zwar unter Beweis stellen, dies steigert aber nicht gleichzeitig die inhaltliche Qualität der Geschichte. Ich verlange von so einem Buch nicht, dass es die Realität zu 100 Prozent abbildet. Jedoch kann ich solche Buchfiguren nicht ungestraft auftreten und ihr Verhalten nicht ungebilligt lassen. Natürlich, Lukas ist auch kein Sympathieträger und entspricht somit auch nicht dem sonst üblichen Protagonisten, aber an seiner Stelle hätte ich die Frau schon längst zum Mond gejagt, anstatt mich ewig so blöd behandeln zu lassen – ach Moment, das geht ja nicht, ich dürfe sie ja nicht enttäuschen! Oder darf ich es doch, weil ich ja selber blind bin?

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass auch dieser Medienblinde in „Wie Licht schmeckt“, und auch das Mädchen in „Hell und Dunkel“, selbstverständlich Sonnenbrillen tragen. Es entspräche ja sonst nicht dem Medienbild eines Blinden, auch wenn dieses rein fiktiver Natur ist. In Hans-Jörg Martins „Hell und Dunkel“ kritisiert der Protagonist zunächst diese „alberne“ dunkle Sonnenbrille. Bis er merkt, dass das Mädchen blind ist. Warum kann die Kritik an der albernen Sonnenbrille nicht erhalten bleiben? Darf man Blinde nicht kritisieren? Oder ist Blindheit plus Sonnenbrille = Logisch?

„Wie Licht Schmeckt“ ist nicht der einzige Roman mit blinder Hauptfigur von Friedrich Ani. In der „Seher“-Reihe geht es um einen Ex-Polizisten, welcher im ersten Roman dieser Serie erblindet. Hier merkt man jedoch sehr gut, dass Ani im Krimi-Genre sich besser zurecht findet, als bei den Jugendbüchern. Der Blinde kommt hier nämlich wesentlich besser weg.

Zum Glück gibt es nicht nur positives von Kritikerseite über diesen Roman zu lesen. Eine Rezension, welche mal keine Lobeshymnen anstimmt, findet sich beispielsweise hier.

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Kurzvortrag auf dem „6. Hamburger Science Slam“ am 02.09. ab 21:00 Uhr

Unter dem Titel „Wir sehen was, was Ihr auch seht!“ präsentiere ich morgen Abend in zehn Minuten, im Rahmen des „6. Hamburger Science Slams, die Ergebnisse meiner Studie zur „Fernsehnutzung blinder Kinder und Jugendlicher“. Diese Studie wurde von mir von Dezember 2008 bis Februar 2009 im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit durchgeführt

Der „Science Slam“ ist, ähnlich wie der „Poetry Slam“, eine Veranstaltungsreihe, auf der Forschungsergebnisse aus z. B. Bachelor- oder Magisterarbeiten in nur zehn Minuten einem Publikum präsentiert werden sollen. Das Publikum kührt aus allen Teilnehmern den Sieger.

WO:
Kulturhaus 73, direkt auf dem Schulterblatt (Schanzenviertel), Hamburg
WANN:
Einlass ist 20:30 Uhr, Beginn ist 21:00 Uhr

Die Reihe „Science Slam“ findet großen Anklang. Vielleicht kann ich ja morgen auch den einen oder die andere von Euch begrüßen.