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Zehn Tage (blind durch) Skandinavien – Ein Reisebericht

Karfreitag 2014 machte ich mich auf die Socken zu einer für mich bis dato einmaligen, langen Rundreise. Gleich drei Länder, gleich drei Städte standen auf dem Programm und wollten erkundet werden. Und das ganze noch ohne sehende Begleitung und oftmals auch ohne eine hundertprozentige, vorherige Ausarbeitung meiner Aktivitäten vor Ort.

In diesem Beitrag könnt Ihr mich auf meiner Reise durch Norwegen, Schweden und Dänemark begleiten. Wir besuchen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Oslo, Stockholm und Kopenhagen und lernen interessante Menschen kennen.

Doch was wäre ein Urlaubsbericht ohne Urlaubsfotos? Begleitend zu meinem Reisebericht empfehle ich, sich parallel die von mir selbstgeschossenen Bilder und Videos anzuschauen.

 

Übersicht

  1. Tag 1 in Oslo, 18.04.2014
  2. Tag 2 in Oslo, 19.04.2014
  3. Tag 3 in Oslo, 20.04.2014
  4. Tag 1 in Stockholm, 21.04.2014
  5. Tag 2 in Stockholm, 22.04.2014
  6. Tag 3 in Stockholm, 23.04.2014
  7. Tag 1 in Kopenhagen, 24.04.2014
  8. Tag 2 in Kopenhagen, 25.04.2014
  9. Tag 3 in Kopenhagen, 26.04.2014
  10. Tag 4 in Kopenhagen, 27.04.2014
  11. 10 Tage Skandinavien: Ein Fazit

 

Tag 1: Herzlich Willkommen in Oslo!

Freitag, 18.04.2014

04:30 Uhr: Nach gefühlten Null Stunden Schlaf, bedingt natürlich auch durch die Aufregung und Nervosität, denn schließlich hatte ich eine derartig lange Reise alleine noch nicht zuvor unternommen, war die Nacht bereits nach vier Stunden vorbei. Früh ins Bett gehen? Daraus wurde nichts! Der Koffer musste noch gepackt und der Haushalt auch noch vor der Abreise erledigt werden.

Nach einer kurzen Dusche und einer schnellen Kontrolle („Hab ich auch wirklich alles? Egal, was jetzt nicht im Koffer ist, ist halt nicht da!“) machte ich mich mit einem Taxi auf den Weg zum Flughafen, denn um 06:45 Uhr sollte der Flieger gen Oslo abheben.

Nach dem ich mein Gepäck aufgegeben hatte, wurde ich von einem Mitarbeiter des DRK zum Check In begleitet und an allen anderen Wartenden vorbeigelotst.

Rucksack, Jacke und der Inhalt meiner Hosentaschen wurden feinsäuberlich in drei Körbe verteilt und durchleuchtet. Eigentlich ein schnelles Unterfangen…. aber halt! „Haben Sie einen Laptop oder ähnliche Geräte bei sich?“ OK, war wohl nichts mit schneller Abfertigung, Rucksack zurück, Rucksack auf und dem Sicherheitsbediensteten mein Notizgerät sowie den Laptop übergeben – in Korb Nr.4.

Da es beim Durchlaufen der Sicherheitsschranken bei mir nicht gepiept hatte, kam ich auch um die Leibesvisitation herum. Anders der DRK-Mitarbeiter, bei dem das System aufgrund eines dicken Schlüsselbundes sogleich Alarm schlug.

Nach dem ich meine ganzen Sachen aus den vier Körben zusammengesammelt hatte, ließ die nächste Überraschung, nicht lange auf sich warten. Normalerweise bringen die DRK’ler einen, den sie schon einmal unter ihre Fittiche genommen haben, auch zum Gate bzw. in die Maschine. Man ist (in den meisten Fällen) der erste Passagier, der das Flugzeug betritt und darf dann an Bord auf die restlichen Passagiere warten. Dieses Mal lief es anders. Denn dieses Mal wurde ich gefragt, ob ich weitere Unterstützung wünsche oder ob ich mit den anderen Passagieren an Bord gehen möchte. Letzteres bejahte ich, bedankte mich beim DRK’ler für seine Hilfe und wartete am Gate A26 auf den Bus, der uns zum Flieger rausfahren sollte.

Der Bus war pünktlich, nur ließ das Flugpersonal auf sich warten, weshalb wir erst mit etwas Verspätung an Bord konnten. Ich flog mit German Wings, mit einer kleinen Maschine vom Typ Bombardier. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass nicht mehr als 100 Passagiere an Bord passten – wenn überhaupt! Wo sonst drei, wenn nicht sogar vier Fluggäste nebeneinander in einer Sitzreihe sitzen können, erinnerte der Innenaufbau dieser Maschine ein wenig an einen Bus – auch wegen der recht engen Gänge.

Nach dem üblichen Palaver von wegen Sicherheitsvorkehrungen usw., starteten wir mit einer Verspätung von 15 Minuten, die wir jedoch ohne weiteres bis Oslo wieder wettmachen konnten. Nach dem Start gab es ein kleines Frühstück: für einige Passagiere im Ticketpreis inbegriffen, andere mussten draufzahlen: Ein trockenes Aufbackbrötchen mit viel Butter und Salami belegt, dazu ein kleines Wasser und einen kleinen Softdrink für sage und schreibe 8 Euro! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – naja, mich brauchte das nicht zu kümmern, ich hatte sozusagen ‚All Inclusive‘. Und ich sage Euch, die 8 Euro wär es echt nicht wert gewesen. Für das Geld hätte man sich dann auch beim teuersten Bahnhofsbäcker ein Sandwich holen können.

Während des Fluges kam ich mit meiner Sitznachbarin ins Gespräch, die mit ihrer Tochter in den Osterurlaub in die USA flog und in Oslo umsteigen musste. Als gebürtige Norwegerin konnte ich mir bei ihr erste Tipps für meine Besichtigungstouren holen. Unter anderem empfahl sie mir den Vigeland Park, in dem zahlreiche Skulpturen nicht nur zu bestaunen, sondern auch anzufassen sind…

Nach rund 1:15 Stunden landeten wir sicher in Oslo, jedoch nicht, ohne dass ich während des Landeanfluges über den Oslo-Fjord ein paar Bilder geschossen habe. Das blind Fotografieren und Filmen sollte während meiner Rundreise eine Art Experiment sein: Wo Sehende sich visuell von Plätzen oder Dingen inspirieren und beeindrucken lassen, fand ich die Idee interessant, mal rein von meinen Eindrückend ausgehend, Bilder und Videos zu machen. Die Videos wollte ich kommentieren, sodass für den sehenden Betrachter ein direkter Vergleich zwischen dem, was ich kommentiere und dem, was am Ende tatsächlich auf dem Bild zu sehen ist, bestünde. Und außerdem: Warum sollte man nicht auch als blinder Tourist, wie alle anderen auch, Urlaubsfotos machen, um sie seinen sehenden Freunden zu zeigen?!

Am Flughafen Oslo-Gardermoen wurde ich von einem Mitarbeiter des Flughafens in Empfang genommen, der mir beim Suchen meines Koffers und beim Kauf eines Bahntickets behilflich war. Der Osloer Flughafen liegt 47km außerhalb der Stadt und man hatte mehrere Möglichkeiten, in die Stadt zu gelangen. Schnellste, jedoch auch definitiv teuerste Möglichkeit wäre der Express gewesen – da ich dies jedoch vorab bereits recherchiert hatte, entschied ich mich für einen langsameren und mit gerundet 8,50 Euro auch günstigeren Zug (Vergleich: 18 Euro für Express).

Nach 25 Minuten Bahnfahrt kam ich am Osloer Hauptbahnhof an. Und auch hier wurde ich von einem Bahnmitarbeiter in Empfang genommen; dies hatte der Schaffner organisiert. Der Mitarbeiter war mir dabei behilflich, die richtige Route zu meinem Hotel herauszusuchen.

Der Begriff „In der Nähe“ ist doch sehr dehnbar. Rund 2km waren es vom Bahnhof bis zum Hotel, zwei Stationen mit der Tram.

Wer in Oslo mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will, hat – wie in vielen anderen Städten auch – die Möglichkeit, verschiedene Tickets zu kaufen. Am günstigsten „fährt“ man jedoch mit einem Wochenticket, welches im Vergleich zum 3x24Std.-Ticket günstiger war. Dafür erhält man auch eine Chipkarte. Mit der Tram, ein sehr altes Modell, bei der der Fahrer nicht in einer Kanzel abgeschottet von den Fahrgästen sitzt, ging es zur – übersetzt – Hausmannsstraße. Von hier aus waren es nur noch wenige Schritte bis zum Hotel. Es war kein Problem, auf der Strecke zwischen Bahn und Hotel Hilfe zu bekommen. Durch Blindenstock und Koffer fiel ich wohl schon auf und wurde auch nach wenigen Metern auf Englisch angesprochen, ob man mir nicht helfen könne? Warum auch nicht!

Das Hotel war modern eingerichtet und konnte auch von Menschen im Rollstuhl mühelos genutzt werden. Die zwei Fahrstühle, die allerdings nur mit der Schlüsselkarte gestartet werden konnten, verfügten auch über Beschriftungen in großen Zahlen bzw. in Blindenschrift. Verwirrend nur, wenn man nicht wusste, dass das Erdgeschoss -1 ist und nicht 0 (diese fehlte zu allem Überfluss auch noch, ein Falsch aussteigen war somit fürs erste Mal vorprogrammiert).

Mein Zimmer lag im 2. Stock. Es war relativ ruhig hier, wobei man das Gepiepe des Aufzuges hören konnte, der nämlich gleich neben meinem Zimmer lag. Die Fenster ließen sich hier nicht ganz öffnen, um den Fotoapparat einmal für ein paar Aufnahmen raus zu halten, reichte der Spalt jedoch aus.

So, und nun? Die weiblichen Leser hätten jetzt sicherlich erst einmal mit Koffer auspacken angefangen – „pure Zeitverschwendung!“, dachte ich mir, „das kann man auch noch später erledigen!“

Immer, wenn ich eine neue Stadt besichtige, versuche ich, als erstes eine Stadtführung mit zu machen – je länger, desto besser. Nur zu dumm, dass über das Osterwochenende keine geführten Touren stattfanden. Lediglich Busrundfahrten und Bootstouren wurden angeboten. Also umdisponieren!

Bei meinen Recherchen Anfang des Jahres hatte ich etwas über ein altes Wikinger-Schiff gelesen und so fragte ich unten an der Rezeption einmal nach.

Der Mann, schätzungsweise in meinem Alter, gab mir bereitwillig Auskunft und empfahl mir sogleich noch weitere Ziele in der Umgebung. Generell war er die ganze Zeit sehr bemüht, meine Wünsche und Vorstellungen bzgl. Führungen und Museumsbesuchen umzusetzen. Er recherchierte im Internet und führte Telefonate oder schlug für mich die Route im Fahrplan nach.

Nach einigen Minuten stand somit die Tour fest: Mit der Tram zum Rathaus, von dort aus mit der Fähre ein oder zwei Stationen zu den Museen. Nicht unweit vom Wikinger-Museum gäbe es zudem noch ein Freiluft-Museum, in dem man alte Gebäude besichtigen könne – klang auf jeden Fall sehr interessant!

Und so machte ich mich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle. Von meiner Ankunft wusste ich noch ungefähr, wo sie sein musste, musste jedoch letzten Endes noch einmal genauer nachfragen.

Dieses Mal ging es mit einem moderneren Zug in Richtung Hafen. Von hier aus sollte ich die Fähre nehmen – diese konnte jedoch nicht mit dem Wochenticket genutzt werden, da die Fähren von einem anderen Anbieter betrieben wurden. Also erst mal Tickets kaufen. Auf dem Weg zum Anleger traf ich auf ein Schweizer Pärchen, mit denen ich mich bis zur Abfahrt noch etwas unterhielt, während ich die Zeit außerdem nutzte, um ein paar Bilder zu schießen und natürlich, um das Ticket zu kaufen.

Nach 20-minütiger Wartezeit, die Fähre hatte Verspätung, ging es an Bord, die Schweizer blieben an Land. Dafür traf ich auf Brandon und Roger, zwei Amerikaner, die seit einigen Monaten in Norwegen gearbeitet hatten und heute ihren letzten Tag mit einer Museumstour durch Oslo ihren Norwegenaufenthalt abschließen wollten. Wir konnten einen super Platz an der gerade mal hüfthohen Reling ergattern. Von hieraus hatte man während der gesamten Fahrt einen super Ausblick auf die Stadt.

Nach kurzer Fahrt gingen wir gemeinsam zurück an Land. Wie sich herausstellte, hatten wir das gleiche Ziel: Das Wikinger-Museum. Und wie sich bei Ankunft leider außerdem herausstellte, gab es hier nicht wirklich viel anzufassen, da sich die Fundstücke allesamt hinter Glas befanden. Jedoch erklärten mir die beiden Amerikaner eine Menge, sodass ich wenigstens einen kleinen Eindruck von den gebotenen Ausstellungsstücken bekommen konnte.

Nach dem Besuch des Wikinger-Museums wollte ich noch weiter in das Norwegische Volksmuseum. Brandon und Roger begleiteten mich noch ein Stück, verabschiedeten sich dann jedoch; sie wollten langsam wieder zurück in die Innenstadt.

Wie sich im Freiluft-Museum herausstellte, wurden an diesem Tag keine Führungen angeboten. Ich wollte jedoch unbedingt da rein und so sprach ich einfach andere Besucher an, ob sie mich nicht mitnehmen könnten? Durch meine Fragerei rief ich jemand von den Securities auf den Plan. Er fand die Idee, dieses Museum quasi blind zu erkunden und dann noch Fotos machen zu wollen so gut, dass er sich kurzerhand entschloss, mich durch das Gelände zu begleiten.

Auf dem Gelände konnte man über 150 Gebäude aus verschiedenen Epochen bestaunen. Das älteste Bauwerk stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die Gebäude wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts hier in Oslo aus allen Teilen Norwegens gesammelt und aufgebaut. Es sind vor allem Häuser und Hütten aus Holz, die sich die Besucher anschauen können. Einige davon konnte man auch betreten.

Insgesamt verbrachte ich über zwei Stunden in dem Museum und hatte auch die Möglichkeit, ein altes Schulgebäude aus dem 19. Jahrhundert zu besichtigen – Räumlichkeiten, die die Besucher normalerweise nur durch ein Gitter zu sehen bekommen, es sei denn, man hat jemanden dabei, der die Schlüssel besitzt. 😉

Gegen 16:30 Uhr machte ich mich wieder auf dem Weg zurück in Richtung Hotel; dieses mal jedoch mit dem Bus, der direkt vor dem Museum abfuhr und mich auch direkt zum Hotel brachte. Auf der Fahrt zurück in die Stadt unterhielt ich mich mit einer Familie, die ebenfalls das Museum besucht hatte. Ein zweijähriger Junge versuchte durch einige Worte (auf Norwegisch), Handzeichen und Grimassen, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als er diese nicht bekam, machte er sich durch einen – für einen Zweijährigen – recht kräftigen Handschlag auf meine Oberschenkel bemerkbar. Als ich mich dann nun endlich zu ihm umdrehte, lachte er und griff kurz nach meiner Hand.

Zurück in der Stadt bekam ich nach all den Erkundungen langsam aber sicher Hunger und so erkundigte ich mich nach einem Café oder einem kleinen Restaurant und landete am Ende….. in einer Döner-Kebab-Bude. Wobei ich sagen muss, dass ich lange nicht mehr so gutes Kebab gegessen hatte! Wäre für diesen Preis auch ansonsten mehr als traurig gewesen. Für einen Dönerteller (hieß hier nur anders) + ein 0,3 Softdrink zahlte ich umgerechnet um die 15 Euro!

Generell war das Preisniveau hier mehr als hoch. Dies merkte man auch bei den Eintrittspreisen oder bei Souvenirs. Gezahlt wird hier in den Skandinavischen Ländern vorwiegend mit Kreditkarte. Selbst Kleinstbeträge können in kleinen Kiosken mit Karte bezahlt werden – etwas, von dem wir in Deutschland noch weit entfernt sind.

Nach dem Essen ging es noch zum „Joker“, eine Kette von kleinen Läden, welche auch an Feiertagen geöffnet hatten. Ich wollte mir noch etwas zu Trinken für den Abend kaufen. Auf Empfehlung kaufte ich Solo (sprich: Sulu), eine Norwegische Orangenlimonade – sehr lecker! Leider war ich für zwei Flaschen Limo + Schokolade gleich auch mal 9 Euro los und dabei waren es „nur“ 0,5 L -Flaschen. Aber schließlich ist es Urlaub und dass Norwegen, insbesondere Oslo ein teueres Pflaster ist, wurde mir im Vorfeld schon gesagt.

Und so endete der erste Tag einer, dieses Mal langen Reise, durch insgesamt drei Länder bzw. in drei Städte. Ein Mammut-Trip.

Für den nächsten Tag stand erst mal Shopping auf dem Programm. ich wollte doch noch mal nach Souvenirs Ausschau halten und nach Norwegischer, elektronischer Musik. Danach wollte ich spontan entscheiden, ob es nun in die Altstadt oder zum Fram-Museum (die Fram war ein altes Segelschiff) gehen würde.

Auf jeden Fall war frühes Aufstehen angesagt – für Urlaubsverhältnisse ist 8:00 Uhr dies auf jeden Fall.


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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