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Zwölf Tage blind durch den Balkan: Ein Reisebericht aus Belgrad, Sarajevo und Zagreb

Tag 10

Montag, 23.04.2018

Tagesnavigator

Eigentlich sind die Ereignisse dieses Tages sehr schnell erzählt, denn ich hatte mir einmal nichts großartig vorgenommen: Einfach draußen sein, in einem Café oder einem Park das schöne Wetter genießen und etwas lesen – was ich auch teils in die Tat umsetzte.

Um die Mittagszeit ließ ich mich erneut von Dan zur Tramstation bringen. Vorher wollte ich jedoch bei der nahegelegenen Bank etwas Geld abheben. Um einen Mitarbeiter zu finden, der mir bei der Bedienung des Automaten behilflich sein könnte, begab ich mich in den Schalterraum und musste erst einmal eine Nummer ziehen. Wie ich später erfuhr, ist das Nummernziehen auch in Bank- und Postfilialen in Zagreb Gang und Gäbe und keine Seltenheit. Nach etwas Wartezeit war mir ein Bankangestellter bei der Automatenbedienung behilflich. Ich fuhr danach mit der Tram zum Hauptplatz dort, wo sich das Reiterstandbild befindet. Igor, den ich vor meiner Abfahrt noch getroffen habe, hatte mir den Weg zu einer kleinen Straße voller Cafés und Restaurants beschrieben. Er meinte, wenn ich einen Platz suchen würde, um ein wenig das Treiben zu verfolgen, dann sei dies der richtige Platz für mich – und er hatte nicht gelogen. Den Weg dorthin fand ich mit Hilfe eines Deutsch sprechenden Passanten, den ich beim Aussteigen aus der Tram traf. Er übernahm quasi auch die Auswahl des Lokals, welche er auch laut kommentierte: Griechisch, Indisch oder Pizza… alles nicht das, was ich suchen würde, alles nicht Kroatisch. Ohne, dass ich es erwähnt hatte, traf er mit seinem Urteil und seiner Vorauswahl aber auch genau ins Schwarze. Und so landete ich in einem kleinen, Kroatischen Café und genoss Paprikagulasch mit hausgemachter Pasta.

Die Straße war wirklich gut besucht. Da wo viele Sehende anfangen würden, Leute zu beobachten, kann auch ich mich einfach darauf einlassen, mich zurück zu lehnen und das Treiben in gewisser Weise auch zu verfolgen und einfach den Stimmen und Geräuschen zu lauschen. Sehr oft erfüllt mich das mehr, als wenn ich einen ruhigen Platz besuche. Und so war es auch hier. Eine Weile lauschte ich dem Treiben auf der Straße, jedoch störte mich irgendwann die Baustelle auf der anderen Straßenseite. Hatte ich so eine ähnliche Situation nicht auch schon in Sarajevo oder Belgrad erlebt? Manche Dinge kommen halt immer wieder.

Mir fiel zudem auf, dass ich vorhin beim Geld abheben einen kleinen Denkfehler gemacht hatte. Das Hostel akzeptiert keine Kredit- oder sonstige Karten. Ich musste somit also noch mal los, irgendwo erneut Geld holen, um mein Zimmer bezahlen zu können. Dieses Geld holen erwies sich dann jedoch als schwieriger, als gedacht. Ich hatte meine EC-Karte zuhause gelassen und war nur mit einer Kreditkarte unterwegs. Mit dieser konnte ich jedoch an mehreren Automaten kein Geld bekommen. Etwas verunsichert rief ich daraufhin bei meiner Bank an, die mich jedoch beruhigen konnte, es sei alles in bester Ordnung. Man bot mir zudem an, im Falle, dass es erneut an weiteren Automaten nicht funktionieren würde, mir über einem der Geldtransferdienste (wie Western Union oder Moneygram) Geld zukommen zu lassen – ich bedankte mich, lehnte aber vorerst ab. Ich sagte ja, manche Dinge kommen immer wieder – ähnliche Problemchen hatte ich doch seiner Zeit schon bei meiner Skandinavienrundreise gehabt? Da sich auch damals alles schnell lösen ließ, blieb ich ruhig. Ich wollte später bei meiner Rückfahrt zum Hostel erneut bei der Bank Halt machen, bei der ich heute Mittag bereits Geld bekommen hatte.

Auf meiner Suche nach einem vernünftigen Geldautomaten hatte ich mich jedoch etwas verlaufen und war ein wenig vom Hauptplatz abgekommen. Egal, dachte ich, es ist a. Urlaub und b. wolltest du Erkundung und Abenteuer. Und so fragte ich mich bei einigen Passanten nach dem richtigen Weg zurück zum Hauptplatz durch. Dort angekommen, trank ich noch etwas und fuhr dann mit der Tram zurück in Richtung Hostel.

Bei meinem Stadtbummel heute sowie auch schon beim Rundgang gestern stellte ich fest, dass es an vielen Stellen auch Leitstreifensysteme für blinde Fußgänger gibt, insbesondere an einigen Tramhaltestellen, aber auch am Busbahnhof war mir dies am gestrigen Morgen aufgefallen. Es existieren auch einige Blindenampeln, diese findet man jedoch nicht so leicht, sofern die Straßenkreuzung überhaupt über eine Verfügt. Die Ampeln piepen oder ticken zwar, damit man sie finden kann, jedoch reagiert das Ticken nicht auf den sich verändernden Verkehr und bleibt in der gleichen Lautstärke. Wird die Ampel Grün, piept oder tickt die Ampel schneller – ein System, welches ich bereits in Schweden oder auch in Belgien kennengelernt habe. Was Stationsansagen in den Trams anbelangt, so hängt dies zur Zeit wohl ein wenig vom Zugtyp und vom Willen des Fahrers ab. Nach meinen Beobachtungen sind aber vor allem die neuen Trams mit Ansagen ausgestattet, die aber meist recht leise sind. Da die Bahnen bei schönem Wetter oft mit offenem Fenster fahren, muss man da schon etwas genauer hinhören.

Atmo-Aufnahme: Blindenampel

Wieder im Reihenhaushostel angekommen, setzte ich mich noch zu einigen Mitbewohnern in den Garten. Es hatte sich schon herumgesprochen, dass ich filme und fotografiere und so wurde ich von einigen Gästen hierzu etwas ausgefragt bzw. wurden sich einige Videos meiner bisherigen Stationen angeschaut – mit sehr gutem Feedback. Wir unterhielten uns noch so über dieses und jenes, als dann jedoch – ausgelöst durch einen Gast aus den USA – das Thema auf Politik, Wahlen und Donald Trump kam, verschwanden einige vom Tisch und auch mich reizte das Thema Politik (im Urlaub) nicht wirklich. Ich verabschiedete mich und kehrte in mein Zimmer zurück.

Tagesnavigator


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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