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Gedanken-Gänge XXIX – Ist Auflegen ein „Handwerk“, das man erlernen kann? Oder: Gedanken über das DJing

Gestern habe ich mal wieder festgestellt: Man kann nicht alles – wie ein stumpfes Handwerk – erlernen, auch wenn viele dies immer gerne glauben.

Ich war mal wieder als DJ auf ner Hochzeit gewesen. Für gewisse Zeit schaute mir jemand über die Schulter, sehr wissbegierig an Technik, Bedienung der Geräte etc. Nur irgendwann stellte er die Frage, welche Songs man in dieser oder jener Situation am besten spielen könnte? Daran merkte ich, ohne überheblich klingen zu wollen, dass man DJing im Grunde nicht, wie stumpfes Handwerk, betrachten und lernen kann. Man kann lernen, mit Technik umzugehen, sie zu beherrschen, Mixing braucht man fast nicht mehr zu lernen, dies regelt leider meist die Software, da die meisten ja eh nur noch – so mein Eindruck – digital auflegen. Das Gespür für Musik, das sich Auskennen mit Musik, das wirkliche Hören von Musik ist etwas, das man – nach meinem Empfinden – nicht lernen kann. Entweder, du hast es, oder du hast es nicht. Und da hilft dir auch keine Spotify-Party-Playlist. Denn Geschmäcker können auf einer Party unterschiedlicher nicht sein.

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Gedanken-Gänge VII – Braucht ein DJ seinen festen Style?

Als Künstler, Band und auch als DJ muss man wiedererkennbar sein. Man braucht also einen festen „Style“, der mit dem eigenen Namen verbunden werden kann.

Etwas, was mich als DJ jedoch definitiv stört! Beim Erstellen meines Podcasts „Electronic Voyage“ achte ich meist darauf, jede Episode stilistisch anders zu gestalten. Kein wöchentliches House- oder Trance-Mixtape, denn so vielfältig wie mein Musikgeschmack ist, so vielfältig sollte auch der von mir erstellte Podcast sein. Ein Fehler?

Wenn man Zuhörer finden und mit seiner Arbeit Erfolg haben möchte, so scheint diese Vorgehensweise ein Fehler zu sein. Warum ich mich nicht auf ein, vielleicht zwei oder drei, Musikrichtungen innerhalb der elektronischen Musik festlegen könnte, so wie es eigentlich alle meine DJ-Kollegen tun? Warum das machen, was alle machen! – ist hier meist meine Antwort.

Dieses Sich Festlegen und Anpassen Müssen ist auch nur ein Problem der von Kommerz und Vergleichbarkeit geprägten Musiklandschaft. Wenn ein DJ und Produzent, der sich in seinem Bereich bereits einen Namen machen konnte, mal etwas Neues ausprobieren möchte, etwas abseits seines sonst üblichen Styles, so braucht er gleich einen neuen Namen, ein Pseudonym, denn mit seinem eigentlichen Projektnamen werden ja schließlich andere Klänge verknüpft. Aber warum denken gerade Produzenten und DJ’s in der elektronischen Musikszenerie so äußerst eindimensional? Hat es nicht in der Rock- und Popgeschichte schon zahlreiche Künstler gegeben, die innerhalb ihrer Schaffenszeit ihren Stil komplett überarbeitet haben (man denke z. B. an die einst als EBM-Formation gestarteten Apoptygma Berzerk, die heute eher seichten Synthrock produzieren)? Oder sollte das etwa nur bloße Anpassungsfähigkeit an die Hörgewohnheiten und -Wünsche der Hörer sein, so wie ja auch viele DJ’s musikalisch sich immer und immer wieder anpassen, um auf der Mainstreamwelle mitzuschwimmen? Sie ändern ja auch schließlich somit alle Jahre wieder ihren Style und nimmt man ihre gesamten, verschiedenen musikalischen Ausprägungen zusammen, so erhält man oftmals eine gleiche Vielfalt, nur dass diese im Grunde aktuell nicht mehr praktiziert wird, da man sich ja letzten Endes auf eine Sache konzentrieren soll.

Der Style eines DJ’s scheint aber auch eine Frage der Musik zu sein, die charttechnisch oder regional derzeit angesagt ist. Demnach müsste ich hier in Hamburg wohl eher Minimal House und Techno spielen, in hinblick auf die derzeitigen kommerziellen Hörgewohnheiten Bigroom House mit ein wenig Progressive Trance oder Dubstep. Musikrichtungen wie Hardstyle oder Happy Hardcore, das, was also z. T. eher als Kirmes- und Kindertechno abgewertet wird, ist hier in Deutschland eher verpönt.

Ich schwimme schon auf der großen Welle mit – dies tue ich dann, wenn ich auf Hochzeiten und Geburtstagen auflege. Dort ist es jedoch voll legitim, bestimmen doch hier die Auftraggeber den Großteil der gespielten Musikrichtungen. Aber auch hier bewahre ich mir meine Vielfalt und spiele den ganzen Abend nicht nur Schlager und 80er.

Im privaten Rahmen – und einen Podcast und eine Radiosendung zähle ich mal dazu – muss ich mich jedoch nicht an den allgemein vorherrschenden Vorlieben und Hörgewohnheiten richten. Ich produziere DJ-Mixe, weil es mir Spaß macht, weil ich anderen Interessierten die Musik näher bringen möchte und nicht, weil ich die große Masse der Clubgänger begeistern will.