Kategorien
Artikel und Essays

Es ist vorbei! WM-Resumé eines Nicht-WM-Fans

Es ist vorbei! Leider oder endlich? Die Meinungen zu dieser kleinen, wenn auch für sehr viele Fans und Fanatiker der WM eine nicht unwichtige Frage, gehen entschieden auseinander, genau wie die Gefühle, die mit dem Ausscheiden der National-Elf im Halbfinale verbunden sind.

Nun ist Spanien Weltmeister, die WM 2010 ist (endlich) zu Ende, die Leute sind wieder ansprechbar, man braucht nicht mehr vorsichtig zu sein, wenn man sich kritisch zur WM (auch vor Fans) äußert, es gibt auch wieder andere Themen als nur Fußball. Für viele bedeutet diese Rückkehr aus dem WM-Urlaub, auch wenn er oftmals nur via Fernsehen oder Internet vollzogen wurde, jedoch die Auseinandersetzung mit den während der WM verdrängten und ausgeblendeten Alltagsproblemen und -Sorgen. Fußball-WM ist wie Urlaub und man kann für rund fünf Wochen, zumindest ein kleines bisschen, die Probleme um einem herum vergessen. Fußballweltmeisterschaft. Das bedeutet nicht nur das spielen gegen Mannschaften aus aller Welt, es bedeutet für viele auch Stolz sein zu können auf eben diese Mannschaft, vor allem, wenn sie sich bis ins Halbfinale kickern konnten, was auch von vielen gleichgesetzt wird mit einem Stolz-Empfinden für das eigene Land. Dies wirft bei einem Nicht-WM-Fanatiker und -Fan natürlich die Frage auf, ob, trotz kriselnder Wirtschaft und Unmut in der Politik, es nicht noch andere Dinge am und im eigenen Land gibt, auf die man Stolz sein kann? Braucht es eine Fußball-Weltmeisterschaft, um sich mit seinem Land identifizieren zu können? Wenn ja, warum wird dann nur bei den WM-Spielen der Herren so mitgefiebert und bei Erreichen eines Halbfinales dieser Stolz empfunden?

Es fing alles im Mai beim leicht an Manipulation grenzenden Grandprix-Sieg für Deutschland an. Sätze wie: „Wir haben den Song Contest gewonnen, jetzt müssen wir nur noch die WM gewinnen, dann ist alles gut.“, waren in den Tagen nach dem ESC und auch in den Tagen vor WM-Spielbeginn sehr oft, auch in den Medien, zu hören. Aber was bedeutet „gut“?

Und seien wir mal ehrlich. Niemand hätte vor Beginn der Weltmeisterschaft damit gerechnet, dass die Nationalelf so erfolgreich spielt. Bei ersten Hochrechnungen stand Deutschland schließlich auf Rang 5 der Favouritenliste…

Aber sie haben es wiedererwartend bis ins Halbfinale geschafft. Viele glaubten an ein Wunder… oder an Oktopus Paul, welcher nach der vorletzten Vorhersage bereits Morddrohungen erhielt. Die Logik machte der Euphorie Platz. Dass die Muschelwahl willkührlich ist und rein gar nichts über das wirkliche Spiel aussagt, war unwichtig. Wichtig war, dass die Vorhersage in fast allen Fällen zutraf – tja, Vorhersagen können aber auch negativer Natur sein.

Etwas positives hatte diese WM jedoch auch. Die Wirtschaft wurde angekurbelt, ob nun durch den Verkauf von Fahnen oder Vuvuzelas, jenen südafrikanischen Fußball-Tröten, welche klanglich zwischen einem Wespenschwarm und einem wehklagenden Esel variierten, oder durch den Verkauf von Bier und anderen alkoholischen Getränken. Letztere wären aber auch sowieso verkauft worden, denn es mag sicherlich das ein oder andere Grüppchen gegeben haben, welche sich bei verlorenem Spiel ins Delirium gesoffen haben. Egal, wie auch immer, der Bierlieferant hat so oder so von der WM profitiert. 😉

Ich habe sie eben bereits kurz angesprochen: Vuvuzela. Ein Stück afrikanischer Fußballkultur, welche vor allem in den ersten Spielen bei Fans, Spielern und WM-Kommentatoren für klingelnde Ohren sorgte. Zwar wurden die in Europa verkauften Versionen mit Schalldämpfern versehen, waren mit 103DB jedoch noch immer laut genug.
Kurios war nur, dass sich Fans über 90 Minuten Vuvuzela-Klänge aufregten, bei gewonnenem Spiel jedoch zwei Stunden hupend durch die Straßen zogen und ihrer Freude über das gewonnene Spiel freien Lauf ließen.

Aber was wäre, hätten wir die WM wirklich gewonnen. Hätten wir mit diesem Sieg überhaupt umgehen können?
Diese Frage habe ich mir nach jedem gewonnenem Spiel immer wieder gestellt.Denn mit jedem Sieg wuchs diese Überheblichkeit, für welche ich im Moment keine besseren Worte finde – der ebenfalls Nicht-WM-Fan wird wissen, wovon ich rede. 😉
Was wäre bei einem WM-Sieg – diese Frage bleibt weiterhin offen. Vermutlich hätten sich die Fans und Fanatiker in ihrer Freude bis in unermessliche Höhen gesteigert, um dann am Ende wieder hart auf dem Boden der Tatsachen zu landen – autsch.
Wie gesagt: vielleicht! Denn niemand, noch nicht einmal Paul, kann wissen, was gewesen wäre, wenn …

Oder hätten wir vielleicht wieder Sätze zu hören bekommen, wie schon bei der Fußball-WM 2006: „Wir sind wieder wer!“ Ein Ausspruch, welcher 1954 bereits zu hören war – damals jedoch eher berechtigt als heute. Oder müssen wir immernoch irgendwem etwas beweisen? Wenn ja, dann ausgerechnet mit einem Spiel???

Wir haben es nun wieder einmal nicht geschafft und der ein oder andere mag darüber traurig sein. Doch wie sagten unsere Eltern immer zu uns?: „Es ist doch bloß ein Spiel“! Ein Spiel mit Nebenwirkungen, welche vor allem die (ich glaub es war die) französische Mannschaft nach ihrem Ausscheiden zu spüren bekommen hat. Die Spieler wurden nach ihrer rückkehr von Fans aus Wut über die Niederlage (körperlich) angegriffen. Ein bitterer Nachgeschmack der Weltmeisterschaft.

Was Orakel Paul anbelangt, so bekam auch er ansatzweise die Halbfinalniederlage zu spüren. Morddrohungen wurden gegen ihn ausgesprochen, Kochrezepte wurden ausgetauscht und ein persönlicher Bewacher wurde engagiert . Entweder ist dies nur ein Medienhype oder es gibt da draußen tatsächlich Leute, die sich fest auf sein urteil verlassen hatten.

Die WM ist vorbei und dem Bundescoach soll nun das Bundesverdienstkreuz verliehen werden. Darüber denkt der während der WM neu gewählte Bundespräsident nach. Bedenkt man die enorme Wichtigkeit dieses Spiels, welche von Weltmeisterschaft zu Weltmeisterschaft auch immer zuzunehmen scheint, so erscheint diese Überlegung (vielleicht) als logisch. Alle anderen fragen sich nach dem „Warum“?

Jetzt wird erst einmal wieder Ruhe einkehren… bis zur nächsten Europameisterschaft.
Als Orakel verwenden wir dann ein Euro-Stück: Kopf oder Zahl, die alte Auslos-Methode. Genauso zufällig und willkührlich wie das Urteil von Orakel Paul. Verlieren wir wieder, führen wir die gute alte Deutsche Mark wieder ein. Sollte der nächste EM-Sieger noch nicht den Euro eingeführt haben, kann er ihn dann haben. Na, wer das nicht was? 😉

Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert