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Das Oktoberfest als Blinder alleine besuchen mit zünftigem Fahrvergnügen? Ein Erfahrungsbericht

Jedes Jahr zieht das Münchner Oktoberfest Tausende Besucher an, Münchner und Touristen aus aller Welt gleichermaßen. Ob nun für eine kühle Maß oder adrenalingeladene Fahraktion. Gerade wegen seiner Größe und der Vielfalt an Fahrgeschäften, setzt das Oktoberfest als größtes Volksfest weltweit durchaus Maßstäbe.

Dass man als blinder Karussell- und Achterbahnfan in Freizeitparks nicht immer und überall uneingeschränkt mitfahren kann, zeigten unsere bisherigen Testergebnisse. Etwas anders scheint es sich bei Kirmesattraktionen zu verhalten, wie Ihr auch in unserem Test zum Hamburger Sommerdom nachlesen könnt. Hier war es mir uneingeschränkt möglich, alle getesteten Fahrattraktionen zu nutzen, anders, als in manch getestetem Freizeitpark.

Wir haben unsere Testreihe auch in diese Richtung fortgesetzt und testeten einige der Fahrgeschäfte auf dem Münchner Oktoberfest. Ob sich die Nutzbarkeit der dort zu findenden Fahrgeschäfte durch einen blinden Besucher von der des Hamburger Doms unterscheidet und wie das Oktoberfest mit seiner Dimension in diesem Punkt Maßstäbe setzt, galt es herauszufinden.

Anfahrt

Zwar gibt es U-Bahnen, die direkt zur Theresienwiese und somit zum Haupteingang des Festgeländes fahren. Um jedoch das Gedränge ein wenig zu umgehen, bietet es sich an, ab Marienplatz mit der U3 bzw. U6 bis zum Goetheplatz zu fahren. Von hieraus erreicht man die Theresienwiese in ca. fünf bis zehn Gehminuten.

Orientierung

Für einen Ausflug als Blinder, ohne sehende Begleitung, auf die Wies’n benötigt man vor allem eines: Geduld! Das Gelände ist sehr weitläufig und auch wenn man sich vom Besucherstrom über den Hauptweg treiben lässt, kann es durchaus passieren, dass man sehr schnell im Kreis gelaufen ist, weil man eine Wegabzweigung verpasst hat. Daher bietet es sich an, sich nicht nur, wie auch schon für den Hamburger Dom empfohlen, an den Buden und Karussells sowie der Musik und den Rekommandationen zu orientieren, sondern sich auch einzuprägen, an welchem Fahrgeschäft man vorbeigelaufen ist und was sich vielleicht in direkter Umgebung befindet, um nicht ganz die Orientierung zu verlieren.

Es ist viel los auf dem größten Volksfest der Welt, mehr noch, als auf manch anderer Großstadtkirmes. Aber so abschreckend die Menschenmenge auch im ersten Augenblick wirken mag, so birgt sie doch einen enormen Vorteil: Es sind immer genug hilfsbereite Leute um einem herum, die man nach dem richtigen Weg bzw. nach dem nächsten Fahrgeschäft fragen kann.

„Ab nach oben!“ – Die einzelnen Fahrattraktionen im Test

Ob nun adrenalingeladen oder gemütlich, brandaktuell oder nostalgisch. Das Oktoberfest ist immer ein Sammelbecken verschiedenster Fahrgeschäfttypen.

Bei meinem Rundgang beschränkte ich mich zum einen auf eher schnellere Attraktionen, zum anderen vor allem auch auf diejenigen Fahrgeschäfte, die eher selten auf den Jahrmärkten in meiner Region (Norddeutschland) zu finden sind.

Hinweis: Die Reihenfolge der hier aufgeführten Fahrgeschäfte entspricht nicht der Aufteilung auf dem Festgelände.

Olympia Looping (Stahlachterbahn mit Fünf Loopings), Barth:
Bis vor einigen Jahren tourte der Olympia Looping regelmäßig durch die Lande. Inzwischen findet man ihn jedoch nur noch auf ausgewählten Jahrmärkten. Grund genug, diese Achterbahn einmal zu testen! Wo in Freizeitparks viele Betreiber eine Mitfahrt ohne Begleitung untersagen, gab es beim Olympia Looping keinerlei Probleme. Das Personal war beim Ein- und Ausstieg sowie der weiteren Orientierung zum Ausgang behilflich und es gab keinerlei Probleme oder Rückfragen bezüglich einer Begleitperson.
Höllenblitz (Indoor-Achterbahn), Renoldi:
Den Höllenblitz hatte ich bereits bei meinem Dom-Rundgang getestet. Bei der „Nachtestung“ gab es erneut keinerlei Schwierigkeiten, d. h. dass das Personal und auch andere Besucher beim Ein- und Ausstieg und vor allem auch beim Verlassen der Bahn behilflich waren. Meine Sachen (Rucksack, Blindenstock) deponierte ich, wie auch bei den meisten anderen Fahrten, bei einer der Aufsichtspersonen.
Cobra Lost Kingdom Coaster (Looping-Achterbahn), Agtsch:
Und auch die dritte Kirmesachterbahn in unserem Oktoberfest-Test überzeugte, was die Hilfsbereitschaft der anderen Besucher und des Personals anbelangte, auf voller Linie. Zudem scheinen blinde Fahrgäste bei diesem Schausteller eine kleine Ermäßigung zu erhalten, was sich bei einer weiteren Attraktion später auch bestätigte.
Parkour (Absoluter), Aigner:
„Macht’s Euch gemütlich und bequem, bevor’s gleich richtig rund geht…“ hieß es zu Beginn der Fahrt. Und rund ging es! Parkour lässt sich vom Bewegungsablauf ein wenig mit einem Breakdancer vergleichen, nur dass die Gondeln unten an den jeweiligen Armen hängen und man somit die Füße frei hat, was noch mal den Fahrspaß erhöht. Beim Finden einer freien Gondel sowie dem Verlassen des Fahrgeschäfts stand auch hier das Personal sehr hilfsbereit zur Seite.

Skyfall (Free Fall Tower), Goetzke:
Einer von zwei Freifalltürmen auf dem Münchner Oktoberfest, den ich bereits in Hamburg mit Erfolg testen konnte. Und auch hier verlief die Nachtestung ohne Probleme. An der Kasse erhielt ich eine grobe Orientierung, in welche Richtung der sich der Eingang befindet, wo mich einer der Aufseher sogleich in Empfang nahm und zu einem freien Platz führte bzw. mich bei Fahrtende auch wieder nach draußen geleitete.
Mondlift (Enterprise), Zehle:
„Die angenehmste Art des Looping“ heißt es auf der Homepage der Münchner Schaustellerin. Und ich hätte schwören können, dass sich die Kabinen während der Fahrt auch überhaupt nicht überschlagen haben… Aber bis ich überhaupt in der käfigartigen Gondel saß, gab es ein paar Startschwierigkeiten. Ich hatte mir von einem Oktoberfestbesucher den Weg zur Kasse zeigen lassen und wir hatten, um gleich Missverständnissen vorzubeugen, dem Kassierer gesagt, dass ich ohne Begleitung unterwegs sei und er mich nur zur Kasse geführt hatte. Nichts desto trotz sollte er mich auf die Plattform führen, dort würde uns jemand von der Aufsicht helfen können. Die Aufsicht war nur etwas mit der Situation überfordert und konnte mir eingangs nicht erklären, wie genau ich mich in die Gondel zu setzen habe: Man liegt nämlich halb, mit ausgestreckten Beinen, in der Gondel und hält sich nur am Gitter neben einem fest. Nach etwas hin und her und einem sehr ungeduldigen Kommentar der Rekommandeurin, ob sie denn endlich starten könne, saß ich letzten Endes dann doch in einer freien Gondel. Nach der Landung wurde ich jedoch ohne weiteres zum Ausgang des Fahrgeschäft geführt.
Flip Fly (Inversion Nr. 7), http://www.clauss-flipfly.de/“ target=“_blank“>Clauß:
Wieder hoch hinaus und über Kopf ging es mit dieser Attraktion, welche, wie auch der Mondlift, vor allem im süddeutschen Raum tourt. Und auch bei diesem Schausteller bzw. Fahrgeschäft stand die Hilfsbereitschaft mit an erster Stelle. Das Personal half bereitwillig beim Ein- und Ausstieg bzw. beim Wiederauffinden meiner zurückgelassenen Sachen.

High Energy (Star Shape Nr. 1), Kaiser:
Verliefen die Mitfahrten beim Sommerdom in Hamburg reibungslos, so gab es in München leider vorab eine kurze Diskussion hinsichtlich meiner Mitfahrt. Die Frau im Kassenhäuschen war sich nicht sicher, ob ich überhaupt mitfahren dürfe, allein schon wegen meiner Sicherheit – Freizeitpark lässt grüßen. Ich führte an, dass eine Mitfahrt in Hamburg, mehrfach, kein Problem gewesen sei, warum dann jetzt hier in München? Sie rückversichete sich bei Kollegen und ließ mich am Ende mitfahren. Und so verlief auch diese Fahrt in 23 M Höhe ohne Probleme. Das Personal stand mir wieder helfend zur Seite und ich hatte quasi somit auch hier einen angenehmen Aufenthalt an Bord.
Playball (Flipper Nr. 1), Clauß:
Zwar nicht ganz so rasant und schnell, wie die Flipper-Fahrgeschäfte neueren Datums, dennoch eine Mitfahrt wert. Diese verlief auch hier, dank des Kassen- und Aufsichtspersonals, wieder reibungslos.

Free Style (Afterburner), Agtsch:
Die Mitfahrt beim Free Style verlief ebenfalls ohne Probleme. Wie beim Cobra Lost Kingdom Coaster erwähnt, scheinen blinde Passagiere bei diesem Schausteller Ermäßigungen bei den Fahrchips zu bekommen – zusammen mit der Hilfsbereitschaft des Personals eine sehr nette Geste.
Konga (XXL – Schaukel), Küchenmeister:
Wieder hoch hinaus, dafür jedoch dieses mal ohne Überschlag, ging es mit dieser 45 Meter hohen Schaukel vom Typ XXL. Zwar steht sie auch oft auf norddeutschen Rummelplätzen, eine Mitfahrt ist jedoch immer wieder toll und im wahrsten Sinne des Wortes erfrischend. Das Personal war beim Ein- und Ausstieg behilflich.
Frisbee, Goetzke:
Nachdem die Bremer Schaustellerfamilie Robran im vergangenen Jahr ihren Frisbee ins Ausland weiterverkauft haben, touren derzeit nur noch zwei Fahrgeschäfte diesen Typs (Schausteller Ruppert und Goetzke). Goetzkes Frisbee testete ich, ebenfalls mit Erfolg, auf dem Oktoberfest.

Skater (Top Scan), Kaiser:
Die letzte Runde auf meinem Oktoberfest-Testrundgang drehte ich mit diesem rasanten Fahrgeschäft des Typs Top Scan. Wie auch schon bei (fast) allen anderen Attraktionen, waren auch hier Aufsichtspersonal sowie andere Fahrgäste behilflich.

Fazit

Die im Test zum Hamburger Dom geäußerte Vermutung, dass Kirmesattraktionen scheinbar problemloser auch ohne eine sehende Begleitung genutzt werden können, bestätigte sich auch bei dem Besuch und Test des diesjährigen Oktoberfestes.

Insgesamt wurden dreizehn Fahrattraktionen, davon drei Achterbahnen, getestet und das mit großem Erfolg!

Dass es beim High Energy kurz zu Diskussionen kam, werten wir nicht negativ, dies war nur der Unwissenheit des neuen Kassenpersonals verschuldet. Denn schließlich kam am Ende ja eine Mitfahrt zu Stande.

Beim Fahrgeschäft Mondlift kam es zwar zu einer Mitfahrt, jedoch gab es anfangs Startschwierigkeiten, was die Hilfe und Anleitung durch das Personal anbelangte – vielleicht auch ein wenig durch kleine Sprachbarrieren begründet.

Davon jedoch ganz abgesehen verliefen die Testfahrten zu unserer vollen Zufriedenheit und wir beglückwünschen somit im Namen von Parkerlebnis.de alle getesteten Fahrgeschäfte bzw. deren Schausteller zu diesem guten bis sehr guten Testergebnis!

Die Ergebnisse aus Hamburg und München machen neugierig auf mehr! Daher wird es zukünftig, neben unseren Haupttests zur Nutzbarkeit von Freizeitparks durch Blinde ohne Begleitung, noch weitere solcher Kirmesberichte geben.

Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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