Eine Partnerschaft (oder einfach Beziehung) sollte doch für beide Seiten erfüllend sein. Beide Partner sollten, so sie es aufgrund persönlicher und/oder sexueller Vorlieben nicht anders entschieden haben, gleichberechtigt und gleichwertig diese Partnerschaft ausleben können. Dies gilt selbstverständlich sowohl für Menschen mit als auch ohne Handikap.
Warum schreibe ich dies? Ich habe im Kontakt mit Sehenden oftmals nämlich den Eindruck, dass eine Teils verquere Ansicht herrscht, wenn es um eine Partnerschaft zwischen einer blinden (oder allgemein gehandikapten Person) und einem Menschen ohne Handikap geht. Denn sehr häufig wird der sehende Partner mehr als Assistenz gesehen, anstatt als Teil einer Liebesbeziehung.
„Such dir eine Frau, die Auto fahren kann!“
Ohne Handikap lebt es sich leichter – glaubt man zumindest denjenigen Menschen, die sich ein Leben mit einem Handikap als all zu große Hürde vorstellen; vor allem, wenn es um das Leben ohne Augenlicht geht. Dass es im Leben eines Rollifahrers, einer blinden Person oder eines Kleinwüchsigen durchaus die eine oder andere, oftmals technische, Hilfe gibt, scheinen sie gerne mal zu vergessen bzw. zu verdrängen.
So kommt es nicht gerade selten vor, dass sich blinde Menschen Kommentare aus ihrem nahen Umfeld anhören müssen, wie zu Beginn dieses Abschnitts beispielhaft skizziert. Ein sehender Partner vereinfacht das Leben, so die Meinung vieler. Er kann alles das mit seinem Auge erfassen, was dem blinden Partner verborgen bleibt. Ob Kleidungsstücke erkennen, Einkaufen, Kochen oder den Haushalt meistern – in allem scheint er dem Blinden überlegen. Und hat er sogar noch einen Führerschein, klettert er noch einige Sprossen auf der Leiter der Gunst bei der zukünftigen Schwiegermutter höher hinauf.
Doch will er das überhaupt? Will er überhaupt als Assistent gesehen werden? Das Wohlwollen derjenigen, für die ein sehender Lebensgefährte gleichzeitig auch Assistent ist, kann durchaus auch eher abwertend wirken.
Lebensgefährte ist und bleibt Lebensgefährte!
Doch ob der andere, ob nun blind, gehörlos oder im Rolli sitzend, diese ihm von seinem Umfeld aufgebürdete Hilfe wirklich möchte, hinterfragen ebenso die wenigsten! Für sie zählt oftmals allein das Handikap, das ein Leben und die Alltagsbewältigung ja so schwer erscheinen lässt. Sobald im Gespräch geäußert wird, dass der Freund/die Freundin sehend/hörend/laufend ist, greift sofort der Automatismus der Erleichterung: Da ist jemand, der uns beschützt, pflegt, betüddelt und was weiß ich nicht noch alles.
Natürlich – in einer Partnerschaft ist man mit Herz und Seele dabei. Man unterstützt sich – achtung: GEGENSEITIG! – wo man nur kann, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Hierzu kann – natürlich – auch zählen, dass beispielsweise der Sehende Lebensgefährte dem anderen sein Auge „leiht“. Dass dies jedoch keine Selbstverständlichkeit ist, fällt meistens unter dem Tisch bzw. wird einfach diskussionslos dort hingekehrt.
Beziehungen sind keine Nutzgemeinschaften – zumindest sollte es so sein. Der Lebensgefährte ist kein Lebens-Assistent, der uns alle Arbeiten abnimmt oder uns immer, einem bereitwilligen Taxichauffeur gleich, von A nach B kutschiert.
Und wenn viele den Gedanken an eine Assistenz nicht ganz verdrängen können: Warum geht man dann immer automatisch davon aus, dass der nicht gehandikapte Partner assistiert? Diese Einstellung birgt einen äußerst bitteren Beigeschmack in sich: Traut man uns Menschen mit Handikap überhaupt nichts zu, dass man uns eine ewig währende Lebens-Assistenz wünscht? 😉
Sprechen wir Leute auf diese Dinge an, so wird uns sehr häufig mangelndes Verständnis für die Unwissenheit des anderen attestiert. Nun gut, wenn wir Verständnis für Euch und Eure Unwissenheit mitbringen sollen, kein Problem! Aber im Gegenzug wünschen wir uns genauso Verständnis dafür, dass wir eben nicht auf der Suche nach jemandem sind, der uns Hotel Mama ersetzt und uns – man verzeihe mir diesen Ausdruck – unseren Arsch hinterher trägt. Wenn Ihr nämlich einmal in Euch geht, werdet Ihr höchst wahrscheinlich feststellen, dass es auch bei Euch nämlich genau das ist, was Ihr auch nicht hättet haben wollen.
In diesem Zusammenhang sei noch auf diesen älteren Blogbeitrag verwiesen, in dem ich das Thema „Partner = Assistent“ bereits aufgegriffen hatte.