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Von Facebook und Datenklau oder: Früher war’s auch nicht besser

Schon seit Längerem sorgen Plattformen wie Studi- bzw. Mein VZ oder Facebook für Schlagzeilen. Zumeist ging es hier um das Weiterverwerten und Weiterverkaufen von persönlichen Daten, das Verwenden von privaten Bildern etc, was vor allem von Datenschützern beklagt wird.
Diese Schlagzeilen und die enorme Medienpräsenz sorgten jedoch auch dafür, dass den Nutzern solcher Plattformen eigentlich bewusst wurde, wie sie mit ihren persönlichen Daten und Aktivitäten umgehen könnten. Dies hat seit einiger Zeit zur Folge, dass viele auf Facebook ihre Namen ändern: entweder man sucht sich ein komplett neues Pseudonym oder man verunglimpft seinen eigenen Namen, sodass Aus Hansi Meier dann „Han Si“ wird, nur um vermeintlich anonym weiterhin solche Portale nutzen zu können und um dem Datenklau zu entgehen.
Aber ist diese Hysterie überhaupt begründet?
Dies fragte ich mich bereits, als Menschen im vergangenen Jahr wegen der Zensusbefragung auf die Barrikaden gehen wollten – und diese Frage stelle ich mir bei der FB-Diskussion weiterhin.

Ein Sprung in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der Internet und soziale Netzwerke noch Zukunftsvisionen waren.
Damals hat man, anstatt bei Gewinnspielen auf dubiosen Plattformen mitzumachen, nämlich sich an Preisausschreiben beteiligt und munter seine Namen und Adressen auf Postkärtchen gekrickelt und in die weite Welt hinausgeschickt – ganz besonders ehrgeizige taten dies auch mit den Namen ihrer Angehörigen. Doch wer garantierte den damaligen Mitspielern, dass der Zeitschriftenverlag, welcher das Kreuzworträtselheftchen herausgab, die vielen nützlichen Adressen für sich behielt? Denn schon damals gab es genügend dubiose Anrufe, Leute, die am Telefon „nur eine Frage stellen“, aber imgrunde etwas verkaufen wollten. Haben sie alle wirklich „rein zufällig“ diese eine Nummer gewählt?

Heute wird beklagt, dass wir unachtsam mit privaten Daten umgehen würden – und daran hat sich doch über all die Jahre nichts geändert? Nur, dass wir unsere Daten heute im Internet veröffentlichen und damals nur per Postkarte. Und die Medien, die uns heute Achtsamkeit predigen wollen, waren, blickt man mal ein wenig zurück, auch keinen Deut besser! Früher wurden nämlich Gewinner mitsamt ihrer Anschrift im Radio genannt. Klar, damals mag auch niemand in dem Ausmaß daran gedacht haben, irgendwelche Adressen zu missbrauchen, dennoch zeigt dies nur einmal mehr, dass wir nicht erst seit dem Aufkommen sozialer Netzwerke im Internet mit unseren (Adress-)Daten hausieren gehen.
Und man denke an das gute alte Telefonbuch: Viele springen auf dem fahrenden Facebook-Ist-So-Böse-Und-Klaut-Unsere-Daten-Zug auf, stehen aber weiterhin mit Name, Anschrift und Telefonnummer im örtlichen Telefonbuch verzeichnet.

Natürlich sollte man achtgeben, wo und gegenüber wem man was preisgibt – das ist im realen Leben genauso wie im Onlinebuch mit den vielen Gesichtern. Dennoch halte ich dieses inzwischen zum Trend gewordene „ich muss dringend meinen Namen ändern und mich im Internet anonymisieren“ für ein wenig übertrieben. Man könnte sonst den leicht paranoiden Gedanken etwas weiterspinnen und zukünftig auch seine Namensschilder von Briefkasten und/oder Arbeitsbekleidung entfernen. Gleichermaßen könnte man für die Abschaffung der Telefonbücher plädieren, denn ein besseres Verzeichnis mit Namen, Adressen und Telefonnummern, ja zum Teil sogar Handynummern, wie dieses gibt es nicht – das toppt noch nicht einmal Facebook!

Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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