Freizeitparks blind zu erleben und zu nutzen ist hierzulande immer noch nicht vollends von Erfolg gekrönt. Es gibt derzeit noch keine einheitliche Regelung, ob blinde Parkbesucher eine Begleitung benötigen, ob sie auch ohne Begleitung fahren dürfen oder ob ihnen sogar eine Mitfahrt verwehrt bleibt.
Hingegen scheint hierzulande die Nutzung von Kirmesattraktionen und -fahrgeschäften problemloser vonstatten zu gehen. Hier konnten wir bis jetzt eine Hilfsbereitschaft beobachten, die in manch anderen Bereichen der Freizeitgestaltung ihresgleichen sucht.
Schaut man einmal über den Tellerrand hinaus, so konnten wir bei bisherigen Tests ausländischer Parks – mit Ausnahme des Disneyland Paris – feststellen, dass die Themen Hilfsbereitschaft, lösungsorientiertes Handeln und der Umgang mit Menschen mit Handikap allgemein einen ganz anderen Stellenwert zu genießen scheinen. Zwar können die bislang getesteten Parks (Tivoli Gardens, Thorpe Park sowie Efteling) nicht für alle Freizeitparks des jeweiligen Landes sprechen, sie gehen in jedem Fall aber mit gutem, teils bewundernswertem Beispiel voran. (Siehe auch: Freie Fahrt, auch für Blinde: Warum Christian Ohrens Freizeitparks als Blinder testet – Interview)
Eine Ausnahmestellung in puncto Freizeitparks dürfte der Wiener Wurstelprater genießen, vereint er doch praktisch sowohl den Flair einer Kirmes mit der Atmosphäre eines Freizeitparks. Die Fahrgeschäfte werden hier nicht von einem zentralen Unternehmen geführt, sondern obliegen der Führung einzelner Schausteller beziehungsweise Unternehmen.
Wie verhält es sich nun in Wiens Adresse Nr. 1, wenn es um Achterbahn, Karussell und Co. geht, hinsichtlich der Nutzbarkeit durch einen blinden Gast? Im Rahmen unserer bei Parkerlebnis.de durchgeführten Testreihe fand ich dies im Oktober dieses Jahres heraus!
Anreise
Der Wurstelprater ist Teil des Wiener Praters, einer groß angelegten Parkanlage im Zentrum der österreichischen Hauptstadt. Die zentrale Lage ermöglicht auch eine unkomplizierte Anreise mit U-Bahn und Tram vom Hauptbahnhof aus (Ausstieg am Prater Stern). Reist man mit der U-Bahn an, so ist die Haltestelle etwas weitläufig aufgebaut. Es sollte jedoch kein Problem sein, bei dieser stark frequentierten Haltestelle einen Passanten zu finden, der einem den richtigen Weg weist.
Einlass und Orientierung
Anders als bei „herkömmlichen“ Freizeitparks gibt es keinen typischen Kassenbereich, den man zu passieren braucht. Ein Ticket wird ebenfalls nicht benötigt, der Prater ist das ganze Jahr über zugänglich. Dies gilt auch für die zahlreichen gastronomischen Angebote, die sich innerhalb der Anlage befinden. Allein der Wurstelprater ist saisonal von April bis Ende Oktober geöffnet.
Was die Orientierung anbelangt, so ist es durchaus möglich, sich entlang eines Hauptweges zu orientieren, vor allem, wenn man die Geräusche und Musik der einzelnen Attraktionen zusätzlich nutzt und sich an ihnen quasi entlanghangelt. Jedoch erschweren Freiflächen beziehungsweise Abkürzungen ein wenig die Orientierung und man wird so oder so um die ein oder andere Nachfrage bei anderen Gästen nicht herumkommen.
Attraktionen im Wiener Prater im Test
Vorbemerkung: Die Reihenfolge der hier getesteten Attraktionen entspricht nicht der im Prater.
- Sombrero (Sombrero; Sittler):
- Eine Attraktion, welche mich ein Stück weit an den auf hiesigen Kirmesplätzen zu findenden „High Impress“ erinnert, nur dass Sittlers „Sombrero“ bei Weitem nicht ganz so schnell fährt und somit auch für jüngere Gäste geeignet sein dürfte. An der Kasse angelangt, kaufte ich meinen Fahrchip, welchen man in einen Automaten werfen muss, um das Drehkreuz passieren zu können – diese Form des Einlasses findet man übrigens bei den meisten der Prater-Attraktionen. Der Kassierer und Rekommandeur selbst war es auch, welcher mir beim Einlass und Auffinden einer freien Gondel behilflich war und mich auch am Ende der Fahrt wieder aus dem Fahrgeschäft hinausführte. Vor dem Einstieg wurde ich noch nach meinem Namen gefragt, denn während der Fahrt bringt der Rekommandeur immer mal wieder die Namen seiner Fahrgäste mit ein – eine nette Showeinlage sozusagen.
- Jumper (Jumper; Koidl):
- Eine weitere Familien-Attraktion stand auf dem Testprogramm. Auch beim „Jumper“ (nicht zu verwechseln übrigens mit dem in Deutschland oft vorzufindenden Fahrgeschäftstyp „Taumler“) wurde mir weitergeholfen, jedoch erst nach ein paar Kommentaren – ein anderer Gast hatte mich zur Kasse begleitet und sollte auch mit mir fahren, als er jedoch vehement ablehnte, wurde mir doch vom Operator weitergeholfen.
- Volare (Flying Coaster; Koidl):
- Diese Achterbahn bietet das Erlebnis, liegend zu fahren. Der Einstieg und das Verlassen der Anlage verlief völlig unkompliziert. Beim Einstieg klettert man eine kleine Leiter hoch in seine Gondel und steht zunächst, bäuchlings angelehnt an ein Polster, auf eine Art Plattform, die sich kurz vor dem Start um 90 Grad nach vorne neigt. Gesichert wird man lediglich durch ein Gitter, welches nach dem Einstieg hinter dem Rücken geschlossen wird. Das Fahrgefühl ist wirklich einmalig, vor allem liegend kopfüber zu fahren, ohne dabei mit dem gewohnten Bügel gesichert zu sein, ist eine Sache für sich.
- Insider (Indoor Spinning Coaster; Koidl):
- Recht dicht beim Parkeingang befindet sich dieser Indoor-Ride; einer von zwei getesteten Spinning Coastern des Wurstelpraters. Nach dem Einlass muss man durch einen kurzen Parcours, ähnlich der Wartebereiche, wie man sie bei vielen Parkachterbahnen vorfindet. Auch bei dieser Attraktion war mir das Kassen- beziehungsweise Aufsichtspersonal bei Ein- und Ausstieg behilflich, sodass auch diese Testfahrt ohne Probleme verlief.
- Black Mamba (Chaos Pendel; Fun Vergnügungsbetriebe GmbH):
- Auch dieser Attraktionstyp ist in ähnlicher Form mehrfach im Wurstelprater vorhanden. Ich wollte stellvertretend in meinem Test jedoch zwei davon besuchen – so auch die „Black Mamba“. Hier erlebte ich ebenfalls eine ungeteilte Hilfsbereitschaft, wie man sie sich als blinder Gast nur wünschen kann.
- Space Shot (Space Shot; Dostal Hubert Vergnügungsbetriebe GmbH):
- Wieder höher hinaus ging es mit dieser Attraktion, bei der man in seinem Sitz rund 60 Meter in die Höhe katapultiert wird. Mir wurde vom Personal ein freier Platz zugewiesen und ich wurde auch hier nach Fahrtende beziehungsweise Landung wieder nach draußen geführt.
- Extasy (Energy Storm; Kolnhofer):
- Es sei einmal eines der schnellsten Karussells der Welt gewesen – teilte man mir an der Kasse auf meine Frage, was mich denn hier erwarten würde, mit. Dieses Überkopf-Fahrgeschäft ist auch definitiv nichts für schwache Nerven und bringt den Mageninhalt ganz schön zum Rotieren. Auch hier wurde mir bereitwillig vom Schausteller in eine freie Gondel geholfen beziehungsweise mir nach Fahrtende der Ausgang gezeigt. Vielen Dank außerdem für den Gratis-Chip und die Einladung, jederzeit wieder mitfahren zu dürfen.
- Dizzy Mouse (Spinning Mouse; Liliputbahn im Prater GmbH):
- Kurz und bündig: Der zweite Spinning Coaster konnte von mir ebenfalls erfolgreich getestet werden, das Personal stand mir auch hier somit beim Ein- und Ausstieg helfend zur Seite.
- Super 8er Bahn (Stahl-Achterbahn; Liliputbahn im Prater GmbH):
- Weiter ging es mit einem weiteren Prater-Achterbahnklassiker. Die Testfahrt mit der „Super 8er Bahn“ verlief ebenfalls, im wahrsten Sinn des Wortes, was die Hilfsbereitschaft anbelangt: super.
- Boomerang (Boomerang Coaster; Dostal Hubert):
- Auch erfolgreich verlief die Testfahrt mit dieser Achterbahn der ebenfalls etwas besonderen Art. Ein ähnlicher Bautyp befindet sich ebenfalls in Deutschland im Freizeit-Land Geiselwind. Die Wagen werden rückwärts hochgezogen, am höchsten Punkt saust die Bahn vorwärts die Strecke entlang, bis sie wieder den höchsten Punkt erreicht und man als weiteren Höhepunkt die Fahrstrecke nun rückwärts zurücklegt – der Name „Boomerang“ ist hier somit Programm. Das Personal stand mir auch bei dieser Attraktion helfend zur Seite, sodass diese Testfahrt auch problemlos verlief.
- Megablitz (Stahl-Achterbahn; Neufeld):
- Eine ebenfalls erfolgreiche Fahrt erlebte ich mit dem „Megablitz“, einer weiteren Stahl-Achterbahn im Wurstelprater. Auch hier half das Personal bereitwillig weiter.
- Discovery Revolution (Discovery Revolution Schaukel/Pendel; Christian und Walter Steindl):
- Weniger erfolgreich verlief diese Testfahrt. Blinden Gästen sei eine Mitfahrt nicht gestattet, teilte man mir an der Kasse mit. Auf Nachfrage teilte die Prater-Verwaltung gegenüber Parkerlebnis.de mit, dass seit einem Umbau des Fahrgeschäfts die Sicherheitsvorkehrungen und Nutzungseinschränkungen seitens der Bauaufsicht verstärkt worden sind und somit unter anderem blinden Menschen eine Mitfahrt verwehrt bleibt. Der Schausteller Steindl hat hiergegen zwar Widerspruch eingelegt, dieser wurde jedoch zurückgewiesen.
- Wiener Freifallturm (Gyro Drop Tower; Koidl):
- Noch einmal hoch hinaus ging es mit dieser Attraktion, welche inzwischen auch aus vielen Parks nicht mehr wegzudenken ist. Machen wir’s kurz, auch diese Testfahrt stand den anderen positiven Erlebnissen meines Praterbesuchs in nichts nach.
- Fluch der Piraten (Geisterbahn mit Special-Effects, seit 2019 neu im Prater):
- Neu im Wurstelprater ist diese große Geisterbahn, die sich thematisch an „Fluch der Karibik“ orientiert, was man auch unschwer an der musikalischen Untermalung im Eingangsbereich erkennen kann. In einem Interview erzählte der Betreiber, dass das Besondere an dieser Attraktion die Spezialeffekte nebst Soundkulisse seien – Grund genug, auch mal als Blinder eine Geisterbahn zu besuchen. Zugegeben mögen viele solcher Attraktionen wirklich eher auf die visuellen Reize abzielen und dürften somit für einen blinden Gast eher unspektakulär sein. Wenn man jedoch der gut gemachten Soundkulisse gespannt lauscht, diese und der Wagen dann abrupt stoppen, um nach wenigen Augenblicken der Stille mit einem Donnerschlag nebst ruckartigem Fortsetzen der Fahrt wieder einzusetzen, kann man auch durchaus blind den einen oder anderen Schreckmoment erleben. Erwähnte ich bereits, dass auch diese Fahrt hinsichtlich der Hilfsbereitschaft des Personals ebenfalls ein voller Erfolg war?
- Air Maxx (Swinger; Koidl):
- Zum Abschluss meines Pratertests stattete ich noch dieser Attraktion, welche Beschreibungen eines anderen Gastes nach von außen einem Kettenflieger ähnlich sieht, einen Besuch ab und wurde auch hier, wie auch bei allen anderen getesteten Attraktionen dieser Schaustellerin, nicht enttäuscht!
Fazit zum Wiener Prater als Blinder: Test erfolgreich bestanden!
Bei unserem von Parkerlebnis.de durchgeführten Wurstelprater-Test wurden insgesamt 15 Attraktionen getestet. Bei 14 von ihnen war eine Mitfahrt ohne Weiteres möglich, das Personal stand mit Rat und Tat zur Seite und machte somit den Praterbesuch zu einem tollen Erlebnis.
Dass eine Attraktion nicht genutzt werden konnte, lag nicht am Willen des Schaustellers, sondern vielmehr an den Auflagen durch örtliche Aufsichtsbehörden nach einer Umbaumaßnahme. Diese aus meiner Sicht rapide Verschlechterung der Nutzungsmöglichkeiten spiegeln jedoch zum Teil auch die Erfahrungen mit hiesigen Parkbetreibern und den Vorgaben und Empfehlungen seitens des TÜV wieder. Es bleibt daher zu hoffen, dass dies wirklich ein Einzelfall im Prater ist und auch bleibt, und dass – nach eventuellen Umbauten anderer Attraktionen – nicht auch weitere Attraktionen zukünftig von solch nicht nachvollziehbaren Einschränkungen betroffen sein werden.
Nichtsdestotrotz gehört der Wurstelprater mit seinen Attraktionen auch zu denjenigen Freizeitparks im europäischen Ausland, die von blinden Gästen ohne Weiteres genutzt werden können. Wir sagen daher an dieser Stelle wieder „Herzlichen Glückwunsch“ zum sehr guten Testergebnis!
Eine Antwort auf „Als Blinder auf dem Wiener Prater – Der Testbericht“
Sehr schöner Beitrag!
Als blinder Wahl-Wiener war ich schon mehrfach im WURSTELPRATER. Allerdings bin ich nie mit irgendwas „gefahren“ – das war noch nie mein Ding. Wenn ich dort bin, haue ich mein Geld in den zahlreichen kulinarischen „Mampf-Geschäften“ auf den Kopf bzw. in den Magen. Es lohnt sich auf jeden Fall, auch die kulinarische Seite des WURSTELPRATERs zu betrachten.
Beste Grüße nach Hamburg aus Wien
Andreas