Seit nunmehr elf Jahren bin ich als mobiler DJ aktiv und unterwegs. Ich begleitete zahlreiche Partys, Events, Hochzeiten, Geburtstage, Gartenpartys, Vereinsjubiläen, Sommerfeste und weitere Events und sorgte für die musikalische Untermalung oder für volle Tanzflächen.
Bei meiner Arbeit als DJ ist es mir stets wichtig, sowohl den Geschmack der Gäste zu treffen, als auch ein Stück weit – so es mir die Vorlieben und Vorgaben ermöglichen – auch zu experimentieren. Nicht nur die bekanntesten Lieder von Interpret XY spielen, sondern auch ein wenig abseits des Bekannten zu suchen, zu finden und vorzustellen, ist mir ein ebenso wichtiges Anliegen. Denn Popmusik ist weitaus mehr, als nur die Top 100 der angesagtesten Titel der aktuellen Woche, die im Radio größtenteils sowieso schon rauf- und runtergedudelt werden.
Doch wie weit können Experimentierfreudigkeit und der Wunsch der Masse, mit tanzbarer Musik versorgt zu werden, gehen?
Die Antwort ist – nach jetzt elfjähriger Erfahrung – zum Teil wirklich ernüchternd: Nämlich so gut wie gar nicht!
Frei nach dem Motto, „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich“, ist die Tanzlust bei vielen bei ihnen unbekannten Titeln eher gering. Ob nun aus Gründen des Nichtgefallens oder des Nichtkennens bleibt mir als DJ in den meisten Fällen verborgen. Es sei denn, es äußert sich doch mal ein Gast zum gerade gespielten Titel und gibt mir somit einen ersten Anhaltspunkt.
Radio-Musik-Berieselung oder: Das Jukebox-Prinzip
Interessanterweise regen sich viele Radiohörer über die immer gleichen, gespielten Titel ihres Lieblingssenders auf, schalten aber trotzdem gerne wieder ein. Denn es könnten beim Nebenbeihören doch die Lieblingstitel auftauchen, die Dank Dopaminausschuss im Gehirn ein Glücksgefühl verursachen (vgl. auch Baum 2018 oder Walter 2020).
Aber warum laufen auf den meisten Unterhaltungskanälen im Radio die immer gleichen Titel? Wie vieles, so stammt auch dieser Formattrend aus den USA. Als sich ein Programmmacher Ende der 1950er Jahre einem schwindenden Interesse seiner Hörerschaft an seinen Programmen ausgesetzt sah, suchte er nach neuen Möglichkeiten und Wegen. Er beobachtete eines Abends bei einem Kneipenbesuch, wie andere Gäste die Jukebox bedienten und verfolgte dabei, dass sie sich scheinbar die immer gleichen Platten auswählten. Dieses Konzept setzte er darauffolgend auch in seinem Radioprogramm um – und diesem Prinzip folgen auch in Deutschland viele Radiostationen seit Aufkommen der privaten Kanäle. (Vgl. Auch Goldhammer 1995, Stümpert 2005, Raff 2007)
Dieses Prinzip lässt sich auch durchaus auf das Auflegen auf Partys und Feiern anwenden und erklärt vielleicht, warum viele Gäste trotz Teils auch unterschiedlichen Geschmäckern, sich auf Partys immer dieselben Titel wünschen.
Musik oder: Der Schlüssel zum Glück
Bei Titeln, die wir lieben wird im Gehirn Dopamin freigesetzt und der Hörer erlebt ein Glücksgefühl, Dies tritt dann immer wieder auf, sobald wir „unser Lied“ hören; das kann dann auch 3x, 4x oder 5x am Stück hintereinander weg laufen. Wir fühlen uns gut. (vgl. z. B. Walter 2020)
Diese Tatsache kann auch dazu führen, dass wir ähnliche Titel, die denselben, musikalischen Mustern wie unsere Lieblingstitel folgen, genauso viel Gehör und Aufmerksamkeit schenken – oder eben auch umgekehrt. Wir erkennen schnell ähnlich klingende, musikalische Muster und bringen diese mit unseren bisherigen Musikerfahrungen und -Vorlieben in Verbindung.
Jedoch scheint, wenn man der bisherigen Forschung glaubt, das Entdecken von für uns neuer Musik ab Anfang 30 stark nachzulassen. „Im Alter festigen sich unsere Interessen, die sich im Laufe unseres Lebens herauskristallisiert haben. Während wir in der Jugend ständig neue Styles, ob Frisur, Outfit oder Subkultur, ausprobiert haben, schwindet die Lust am Entdecken mit der Zeit langsam. Das selbe in der Musik“ (Walter 2020).
Es scheinen auf Partys noch einmal etwas andere, musikalische Gesetze zu gelten. Denn auch bei jüngeren Gästen konnte ich diesen Unwillen des nicht Neuentdecken wollens feststellen. „Kenn ich nicht, Klingt blöd, ist blöd, ich geh was Trinken“ ist dann eine häufige Reaktion. Erklingt jedoch ein ihnen wieder bekannter Titel, kehren sie, wie magisch oder magnetisch angezogen, zurück auf die Tanzfläche.
Jedoch, dies ist in dem Artikel von Walter ebenfalls nachzulesen, brauchen wir auch eine gewisse Zeit, um Titel warmzuhören und ihnen beim nächsten Mal Hören mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade auf Tanzflächen entscheiden die ersten Beats, ob der gespielte Song top oder Flop ist.
Dies erklärt, warum sich die vorhin bereits zitierte Binsenweisheit, dass was der Bauer nicht kennt, er auch nicht isst, auch auf die Arbeit als DJ anwenden lässt: Was der Gast nicht kennt, dazu tanzt er nicht! Schade eigentlich…
Fazit oder: Auch abseits des Bekannten zu tanzen lohnt sich
Wenn ich in Vorgesprächen abfragte, welche Musik gespielt werden soll, hörte ich schon häufig den Satz: „Am besten das, was alle mögen!“ Auf dem ersten Blick scheint dies unmöglich zu sein, zu unterschiedlich können doch die Geschmäcker sein. Doch gerade zu späten Stunden zeigt sich, dass es zwar oftmals einerseits nicht schwer ist, den „Massengeschmack“ der Partygesellschaft zu treffen, damit aber andererseits auch eine gewisse Einfalt einhergeht. Stücke können noch so rhythmusbetont, positiv gestimmt oder schlicht weg tanzbar sein – wenn ein Großteil sie nicht kennt, führt dies, je nach Menschenschlag, zum Leeren der Tanzfläche.
Somit ist es eine wahre Herausforderung für den Musikliebhaber, neue Titel, die gut ins Konzept oder in den Mix passen könnten, mit Evergreens der Partykultur in Einklang zu bringen – mal gelingt es, oftmals jedoch auch nicht. Davon darf ich mich jedoch nicht beirren lassen, dafür ist einfach auch jede Party aufs Neue anders.
Doch kann ein Zuhören zu bislang unbekannten Tönen, selbst auf einer Party, durchaus auch bereichernd für den Einzelnen sein. „Auch wenn das Gehirn lieber den einfacheren und bekannten Weg bestreiten möchte, der viel Glück und wenig Risiken mit sich bringt, sollten wir die Courage mitbringen, Neues zu probieren. Die Welt dreht sich weiter, jeden Tag kommen tausende neue Lieder heraus. Die Kultur verändert sich auch stetig. Bei dieser Fülle an tollen Liedern wäre es schade, nicht mal wieder über den eigenen Tellerrand zu blicken. Auch wenn wir manche Lieder nur auf Anhieb mögen, weil wir etwas ähnliches schonmal gehört hat, war die Entdeckungsreise jeden Schritt wert. Und durch das wiederholte Hören neuer Musik und neuer Musikrichtungen, bilden sich wieder neue Verknüpfungen im Gehirn, die früher oder später besondere Emotionen hervorholen könnten.“ (Walter 2020)
Quellen
- Baum, Nina (2018): Forscher bestätigen: Darum hört man immer die gleichen Lieder. (Aus): YaHoo Style Deutschland, Online abrufbar. Zuletzt abgerufen am 02.08.2020.
- Goldhammer, Klaus (1995): Formatradio in Deutschland: Konzepte, Techniken und Hintergründe der Programmgestaltung von Hörfunkstationen. Berlin: Spieß.
- Raff, Ecki (2007): Wie funktioniert Radio? (In): Müller, Dieter K./Esther Raff (Hrsg.) (2007): Praxiswissen Radio. Wie Radio gemacht wird – und wie Radiowerbung anmacht. Wiesbaden: vs Verlag für Sozialwissenschaften, S.25-36.
- Stümpert, Herman (2005): Ist das Radio noch zu retten? Überlebenstraining für ein vernachlässigtes Medium. Berlin: uni-edition.
- Walter, Mathias (2020): Wieso wir immer wieder die gleichen Lieder hören Und warum unser Gehirn das auch noch belohnt. (Aus): Bonedo.de Magazin, Online Abrufbar. Zuletzt zugegriffen am 02.08.2020.
- Wolf, Fritz (1998): Funknoten. Radio als Begleitmedium. (In): Journalist 06/1998, S.12-18.