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Belantis – AbenteuerReich auch für einen Blinden? Ein Erfahrungsbericht

Als Blinder allein, ohne sehende Begleitung, einen Freizeitpark und vor allen die sich in ihm befindenden Attraktionen zu nutzen – das ist, nach unseren bisherigen Tests, nicht immer ein einfaches Unterfangen. Denn oftmals ist eine Nutzung der Fahrgeschäfte nur mit vorhandener sehender Begleitung möglich, wenn überhaupt. Dieses Mal galt es Belantis in Leipzig zu testen.

Dieser Test war vielversprechend, denn in unserer Vorrecherche teilte man uns letztes Jahr bereits mit, dass eine Nutzung der Attraktionen durch blinde Parkgäste keinerlei Probleme darstelle und das Personal gerne helfend zur Seite stünde. Eine Aussage, die es zu testen galt, denn schon einmal konnten wir uns nicht auf die Ergebnisse aus der Vorrecherche verlassen, da ein Park zwischenzeitlich seine Sicherheitsbestimmungen hinsichtlich der Parknutzung durch Menschen mit Handikap geändert hatte.

Zu Beginn des Tests war ich allein, das heißt ohne Beobachter im Hintergrund, unterwegs. Parkerlebnis-Redakteur Thomas stieß später zum Test dazu.

Anreise

Belantis liegt etwa 24 Kilometer außerhalb von Leipzig und ist, während der Saison, durchgängig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen: Vom Hauptbahnhof aus entweder mit der Erfurter Bahn (EB/EBX) oder der Straßenbahnlinie 3 bis Knauthain. Von dort verkehrt einmal die Stunde der Bus Nr. 118, welcher die Besucher direkt bis vor die Schlossmauern fährt. Wer mit dem Taxi vom Hauptbahnhof aus zu Belantis anreist, zahlt ungefähr 42 Euro.

Einlass, oder: die erste große Überraschung

Mit einer Toptemperatur von 38°C versprach der Tag sehr heiß zu werden. Daher verwunderte es ein wenig, dass recht wenig Andrang vor der Kasse herrschte. Daher kam ich ich nach sehr kurzer Wartezeit an die Reihe und erhielt, ohne große (unnötige) Nachfragen oder Einwände mein Ticket – blinde Menschen erhalten bei Belantis freien Eintritt.

Kurz vor der Kartenkontrolle wurde ich bereits von einem Mitarbeiter des Parks angesprochen, ob ich am Anfang etwas Hilfe bei der Orientierung benötige; man würde schauen, ob man mir jemanden zur Seite stellen könne. Dieses Angebot nahm ich dankend an und erlebte somit die erste, positive Überraschung an diesem Testtag.

Nach kurzem Warten hinter der Kartenkontrolle erschien meine Begleitung, welche mich in der ersten Hälfte meines Testlaufs durch den Park und zu den einzelnen Fahrattraktionen begleitete. Jedoch verließ mich meine Begleitung kurz vor Ende der ersten Runde durch den Park, da sie eigentlich für andere Aufgaben eingeteilt war und mir nur eine erste Orientierungshilfe hätte geben sollen. Ich lief somit von da an alleine durch den Park und fragte mich durch. Das ist allerdings nicht negativ zu werten. Allein schon die Bereitschaft, einem blinden Gast einen kleinen Überblick über die Parkanlage und die Attraktionen zu verschaffen, ist etwas, das ich in dieser Form noch in keinem Park erleben durfte und alles andere als selbstverständlich.

Tipp von einer Mitarbeiterin: Sollte eine Begleitung gewünscht sein, soll man seinen Besuch ankündigen. Gerade, wenn sich mehr Besucher im Park aufhalten, könne sich der Park so noch besser auf den Besuch einstellen.

Orientierung im Park oder: wenn mal keine Begleitung zur Stelle ist

Die Parkanlage ist sehr weitläufig. Wer sich jedoch auf Abwegen befindet, kann sich immer an der Musik orientieren, die aus in Steinen versteckten Boxen zu hören ist, welche am Rand der Hauptwege aufgestellt sind. Und nicht nur das: Je nach Themenbereich ändert sich auch die Musik. Wer einen französischen Chanson hört, der befindet sich etwa in der Nähe des Marktplatzes, welcher sich auch durch Kopfsteinpflaster gut von den anderen Wegen unterscheidet.

Da sich weniger Besucher als erwartet im Park aufhielten, war es jedoch teilweise etwas schwieriger, sich von Fahrgeschäft zu Fahrgeschäft zu orientieren. Ich brauchte etwas Geduld, bis ich auf jemand traf, der mir weiterhelfen konnte. Das ist natürlich kein Negativpunkt für Belantis selbst, sollte jedoch bei einem Alleingang berücksichtigt werden.
Was die Orientierung an den einzelnen Fahrgeschäften anbelangt, so setzt sich das Konzept der etwas weitläufigeren Wege auch hier fort. Die Wege zu den Eingängen der jeweiligen Attraktionen sind oftmals etwas länger, dafür sind aber auch die Queue Lines der Wartebereiche selbst häufig kürzer.

Bügel schließen, fertig… los! oder: Die zweite Überraschung des Testtages

Aufgrund der verhältnismäßig wenigen Parkbesucher an diesem Tag musste man an den einzelnen Attraktionen kaum bis überhaupt nicht anstehen und konnte sogar mehrmals hintereinander fahren, ohne auszusteigen und sich erneut anstellen zu müssen.

Da ich einige der Fahrgeschäfte zweimal aufsuchte (meist einmal mit und einmal ohne Begleitung), fasse ich die Kommentare zu den einzelnen Fahrgeschäften jeweils zusammen.

Cobra des Amun Ra (Familienachterbahn):
Der Wartebereich der neuesten Attraktion des Parks ist schon beeindruckend. Man läuft förmlich in Schlangenlinien, bergauf, bergab, durch ein Gebäude. Teils unheimlich wirkende Musik und eine elektronisch verzerrte Stimme sorgen für eine eher düstere Atmosphäre. Die Fahrt an sich verlief ohne Probleme! Mir wurde vom Aufsichtspersonal beim deponieren meiner Sachen (Rucksack, Blindenstock) als auch beim Ein- und Aussteigen geholfen. Bei einer späteren Fahrt wurde ich zudem zum Ausgang begleitet: Fahrtipp: Hinten einsteigen, denn hier legt sich der Wagen in den schlangenlinienartigen Kurven richtig in die Seite.
Fluch des Pharao (Wildwasserfahrt, bei der man mit einem Schlauchboot zunächst durch eine Pyramide fährt, in der die Boote mittels Vertikallift nach oben gezogen werden, bevor sie aus der Pyramide hinausschießen und 30 Meter in die Tiefe rasen):
Als blinder Parkgast hat man die Möglichkeit, jedes Fahrgeschäft durch den Ausgang zu betreten. Ich empfehle dennoch, einmal durch die verwinkelten Gänge der Pyramide zu laufen! Auch bei dieser Fahrt wurde mir vom Personal beim Ein- und Ausstieg geholfen. Doch nicht nur das. Das Förderband, auf dem man – ähnlich der Drehplatten bei anderen Wildwasserfahrten – zu einem freien Boot gelangt, wurde angehalten, um den Einstieg zu erleichtern. Zudem wurde mir der Fahrtablauf genauestens beschrieben. Wer lieber auf den Überraschungseffekt setzt, sollte um „Geheimhaltung“ bitten. Dennoch: ein herausragendes Engagement Seitens des Personals! Fahrtipp: Wie bei (fast) jeder Wildwasserbahn gilt auch hier: Wer nass werden will, sollte vorne sitzen.
Santa Maria (Schiffschaukel):
Vorne oder doch lieber ganz hinten sitzen? Wie auch bei allen Achterbahnen, wurde ich zunächst nach meinem Sitzwunsch gefragt und dementsprechend auch hingesetzt; völlig unkompliziert und entspannt.
Huracan (Loopingachterbahn mit 32 Meter Höhe, bei der man im 90-Grad-Winkel nach oben gezogen und auch oben im selben Winkel nach unten fallen gelassen wird):
Auch hier wurde mir vor der ersten Runde der Fahrtablauf von einem Mitarbeiter kurz erläutert. Ich bestieg den Wagen und bevor der Mitarbeiter reagieren konnte, hatte ich bereits den Bügel geschlossen, was ihn etwas staunen ließ und er mit den Worten “Ah, ein Profi!” kommentierte. Huracan gehört zu den rasantesten Fahrgeschäften und ist, allein schon durch die Abfahrt im 90-Grad-Winkel ein Highlight in Belantis. Da nicht viel los war, entschied ich mich, gleich noch eine Runde dranzuhängen… Fahrtipp: Vorne sitzen, hier laufen die Wagen etwas ruhiger, hinten ruckelt es stark.
Drachenritt (Bobsled Coaster/Schlitten-Achterbahn):
Und auch hier lief alles, wie bereits beschrieben: Das Personal war auch hier bei allem behilflich und führte mich bei einer späteren Fahrt wieder aus dem Gebäude hinaus.
Belanitus Rache (Frisbee):
Großer Indianer oder doch eher Hasenfuß? Diese Frage sollte man sich vorab stellen – oder zumindest erfragen, für wen die nächste Runde gedacht ist. Denn diese Frisbee ist auch etwas für jüngere Kinder! Während sich die Gondel bei der ‘kleinen Fahrt’ langsamer dreht und entspannt hin- und herschaukelt, nimmt sie für die großen Indianer richtig Fahrt auf. Das Verhalten des Personals braucht an dieser Stelle eigentlich schon gar nicht mehr kommentiert zu werden: Einfach super.
Götterflug (Sky Roller, bei dem der Fahrgast selbst bestimmt, wie rasant die Fahrt wird):
Wie ein Vogel in 22 Metern Höhe fliegen, sich vom Wind treiben lassen und mit den Flügeln schlagen? Im Sky Roller kein Problem! Während sich die flugzeugähnlichen Einzelgondeln hoch oben drehen, entscheidet man durch Schlagen der an den Seiten angebrachten Flügel selber, ob man einfach nur schaukeln oder sich richtig überschlagen möchte. Was sich jedoch einfach anhört, erfordert schon etwas Übung. Der Fahrtablauf und die Handhabung der Flügel wurde mir anfangs von der Aufsicht kurz beschrieben, sie war auch beim Ein- und Ausstieg bzw. der Orientierung zum Ausgang behilflich.
Capt’n Blacks Piratentaufe (13 Meter hoher Freifallturm, welcher sich während des Abschusses bzw. des Falls auch zur Seite neigt):
Dieses Fahrgeschäft ist eher für Kinder ausgelegt, bringt aber durch die unerwarteten Neigungen des Turmes während des kurzen Falls auch für Erwachsene Spaß. Die Piratentaufe stellt den Mast der „Black Pirate“ – einem Piratenschiff, das man vor Fahrtantritt auch besteigen muss. Dass das Aufsichtspersonal bereitwillig Hilfestellung beim Ein- und Ausstieg, beim Wiederfinden meiner Sachen und beim Verlassen des Schiffs gegeben hat, dürfte sich inzwischen ja von selbst verstehen.

Fazit oder: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

Kann man in Deutschland als Blinder einen Freizeitpark und die sich in ihm befindenden Attraktionen uneingeschränkt, auch ohne sehende Begleitung, nutzen? Nach Ende des Tests in Belantis kann ich wieder einmal sagen: Ja, man kann!

Gemeinsam mit dem Allgäu Skyline Park gehört Belantis in Leipzig bislang zu den einzigen von uns getesteten Parks, welche einem blinden Parkbesucher, ohne große Diskussionen um Begleitung und/oder Sicherheitsvorschriften, eine wirklich uneingeschränkte Nutzung ihrer Attraktionen gestatten. Belantis konnte die bisherigen positiven Erfahrungen sogar noch übertreffen. Das vorbildliche Verhalten des Personals, die enorme Hilfsbereitschaft, die scheinbar nicht vorhandenen Berührungsängste gegenüber Menschen mit Handikap und die Möglichkeit der eigenen Entscheidung, wann und ob der blinde Besucher Hilfe benötigt, sind etwas, das bislang in deutschen Parks seinesgleichen sucht und für andere Parks Vorbildcharakter haben sollte!

Auch wenn Kritiker und Pessimisten dem Park teilweise wieder Fahrlässigkeit oder Verantwortungslosigkeit unterstellen könnten, weil man mich im zweiten Teil des Tests hat alleine losziehen lassen, so ist das Verhalten des Personals doch genau das, was wir uns für blinde Besucher wünschen und mit unseren Tests schlussendlich auch erreichen wollen. Denn dieses Verhalten ist gelebte Inklusion und Teilhabe am öffentlichen Leben, so, wie man sie sich nur wünschen kann.

Wir sagen daher Herzlichen Glückwunsch, Belantis – Test mit Bravur bestanden!

Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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