Gestern habe ich mal wieder festgestellt: Man kann nicht alles – wie ein stumpfes Handwerk – erlernen, auch wenn viele dies immer gerne glauben.
Ich war mal wieder als DJ auf ner Hochzeit gewesen. Für gewisse Zeit schaute mir jemand über die Schulter, sehr wissbegierig an Technik, Bedienung der Geräte etc. Nur irgendwann stellte er die Frage, welche Songs man in dieser oder jener Situation am besten spielen könnte? Daran merkte ich, ohne überheblich klingen zu wollen, dass man DJing im Grunde nicht, wie stumpfes Handwerk, betrachten und lernen kann. Man kann lernen, mit Technik umzugehen, sie zu beherrschen, Mixing braucht man fast nicht mehr zu lernen, dies regelt leider meist die Software, da die meisten ja eh nur noch – so mein Eindruck – digital auflegen. Das Gespür für Musik, das sich Auskennen mit Musik, das wirkliche Hören von Musik ist etwas, das man – nach meinem Empfinden – nicht lernen kann. Entweder, du hast es, oder du hast es nicht. Und da hilft dir auch keine Spotify-Party-Playlist. Denn Geschmäcker können auf einer Party unterschiedlicher nicht sein.
Und so war er enttäuscht, als ich ihm keine im Kopf vorgefertigte, situationsbedingte, Playlist runterrattern konnte. Weil es sie schlicht weg für mich nicht gibt. Weil Auflegen nach Schema F für mich nicht funktioniert. Natürlich werden immer wieder die gleichen Songs gewünscht – sie werden gewünscht und dann auch gespielt und nicht schon bereits vorher von mir in eine Playlist aufgenommen und gespeichert. Er hätte eine große Sammlung an Titeln (womöglich noch einfach von YouTube oder Spotify? hach, ich werd schon wieder sarkastisch), würde das ausreichen? Manchmal ist weniger auch mehr, antwortete ich. Und nur, weil ich im Besitz von abertausenden Rezepten bin, bin ich dann gleich auch ein guter Koch? Ein jeder hat Hammer und Nagel im Haus, schafft es aber trotzdem nicht, den Nagel grade in die Wand zu schlagen…
Viele empfinden meine Arbeitsweise, mit CDs zu arbeiten und aufzulegen, als antiquiert. Digital könnte ich doch auf kleinerem Raum viel mehr Titel bereithalten… ja und, was bringt mir das? Klar, ich könnte den Wunsch nach der hinterletzten Dorfpunkband befriedigen, doch muss ich das? Die Gäste bestimmen mit ihren Wünschen zwar, wo es musikalisch lang geht, aber den eigentlichen Job erledigen am Ende noch wir. Wir sind wie Gute Redakteure im Radio, die ein ansprechendes Programm „gestalten“ können und es nicht – wie bei schal schmeckenden Fertigsuppen – binnen weniger Minuten im Schnellkochtopf präsentieren, sprich binnen weniger Mausklicks dahinrotzen. Natürlich informiere ich mich trotzdem über Möglichkeiten des digitalen DJings, denn nicht immer und überal ist auch der Platz für CD-Koffer & co – man muss sich halt der Situation und den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Aber eine generale Abkehr von handfesten Arbeitsmaterialien wird es deswegen bei mir noch lange nicht geben.
In einem 2007 mit dem Journalisten Ecki Stieg geführten Interview bemängelte dieser, dass auch im journalistischen Sektor man dazu übergegangen wäre, Journalismus als pures Handwerk zu betrachten, welches man einfach nur zu erlernen bräuchte. Und dies würde vor allem auch für das Radio gelten, da inzwischen viele Abläufe etc. vorhersehbar seien.
Im Grunde ließe sich diese Kritik auch auf die Arbeit als DJ anwenden. Und leider kann ich diese Kritikpunkte, nach mehreren Gesprächen mit Kollegen und auch nach Beobachten derer Arbeitsweisen, nur bestätigen. Ein/zwei Laptops, externe Festplatten voller Musik, eine Software, die den Wust an Files für mich aufbereitet und kategorisiert, eine vernünftige Suchfunktion und im Prinzip könnte es für viele schon losgehen. Musikalisches Knowhow, Takt- und Feingefühl? Das alles bräuchte ich doch gar nicht mehr. Ob man zu einem Song nun Walzer, Tango oder Cha Cha Cha tanzt, kann ich im Zweifelsfall noch schnell googeln oder es mir bereits vorher im entsprechenden DJ-Programm hinterlegen.
Natürlich könnte man auch mir als CD-DJ selbiges vorwerfen. Nur überlege ich mir vorher, welche Koffer ich mit welchem Inhalt bestücke und setze mich bereits vorab mit dem Kunden über die möglichen, musikalischen Vorlieben auseinander. Dass es immer Abweichungen geben kann, ist klar. Aber meistens fallen diese nicht all zu krass aus.
Und genau darin liegt am Ende auch das eigentliche „Geheimnis“ begründet, warum DJing heutzutage leider Gottes dann doch mehr pures Handwerk ist. Weil am Ende oftmals immer wieder die immer gleichen Songs gewünscht und gespielt werden. Was der „Hörer“ nicht kennt, dazu tanzt er nicht, lieber geht er was trinken oder kurz vor die Tür, Rauchen, statts mal etwas neues zu „probieren“ – wer, außer uns Musikliebhabern, kann es ihm verübeln? Aber immerhin ist richtig gelerntes Handwerk auch ehrliches Handwerk und keine per WLAN-Hotspot auf YouTube oder Spotify heruntergeladene, zurechtgeschnittene Fertigplaylist, aus der man sich die nötigen Titel in eine passende Reihenfolge schiebt.