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Findet ein blinder DJ den besseren Beat? Ein kleiner Rückblick auf zwölf Jahre DJ-Tätigkeit

Egal, was du als Blinder auch tust – du erntest von Seiten der Sehenden entweder absolutes Erstaunen oder aber sie empfinden das, was du machst, als selbstverständlich. Als DJ auf Partys und Feiern unterwegs zu sein, ist ein Mittelding aus beidem: Einerseits das Erstaunen über die Bewältigung der Technik, andererseits die Selbstverständlichkeit, denn Blinde machen ja alle irgendetwas mit Musik – so sagt es das immer noch vorherrschende Klischee.

Grund genug, nach über zehn Jahren aktiver DJ-Tätigkeit meine Arbeit einmal etwas Revue passieren zu lassen.

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Gedanken-Gänge XXXI – „Wo ist Ihre Begleitung?“ oder: Über Beschützerinstinkte, die keiner braucht

Viele von uns Menschen mit Behinderung kennen diese Situationen nur zu gut: Man befindet sich irgendwo, ob in einem Restaurant, in einem Laden, in der Bahn, im Konzert, im Kino oder im Schwimmbad und wird (für den nicht Behinderten wie selbstverständlich) nach einer vorhandenen Begleitperson gefragt. Dem „Warum“ dieser Frage auf dem Grund zu gehen ist dabei gar nicht so einfach. Einerseits sind es die vielerseits vorhandenen Selbstunterschätzungen (was wäre, wenn ich jetzt in der Situation wäre?), andererseits das vorhandene Halbwissen über den Schwerbehindertenausweis, seine sog. Merkzeichen und deren Bedeutung.

Was Beschützerinstinkt, Selbstunterschätzung und Überforderung mit der Situation anbelangt, so hilft einem hier häufig nur zu versichern, dass man dieses oder jenes auch alleine schafft. Zeigt sich der andere unbeeindruckt, könnte man auch freundlich hinterfragen, ob er/sie in dieser Situation eine Begleitung dabei haben würde? Doch stößt diese Gegenfrage meist auch wieder auf Unverständnis („Wieso, ich bin ja nicht blind/sitze ja nicht im Rolli etc.“); was aber auch nur wieder zeigt, wie wenig sich viele Menschen tatsächlich mit dem Leben mit Behinderung und den vorhandenen Möglichkeiten auseinandersetzen. Viele, auch unter den Leuten mit Behinderung, argumentieren hier, woher es nicht Betroffene auch besser wissen sollten? Aber sorry, diese Pauschalausrede kann, genau wie die Pauschalforderung nach Begleitung, ebenso getrost an der Kasse zurückgelassen werden.

Spannend ist dabei die Beobachtung, dass – wie bei kleinen Kindern – Anbieter, Betreiber, Supervisoren und teils sogar nur Kassierer immer besser zu wissen glauben, wann, wo, wie und wieviel ich als Gast Begleitung brauche. Und selbst, wenn ich mich in meinem Nutzungswunsch, dieses oder jenes ohne Begleitung tun zu wollen, überschätzen würde, obliegt es am Ende trotzdem weiterhin mir und nicht einer fremden Person, hierüber zu urteilen – ein Wunschtraum, auch noch im einundzwanzigsten Jahrhundert.

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Blind auf dem Hamburger Frühlingsdom 2019 – Ein Testbericht

Frühlingszeit. Das bedeutet für viele auch der Startschuss zur Freizeitpark- und Kirmessaison – so auch seit vielen Jahren in Hamburg, wo von Ende März bis Ende April der Frühlingsdom seine Pforten öffnet und ein attraktives Programm für junge und junggebliebene Kirmesbesucher bietet.

Dass man es als blinder Karussell- und Achterbahnfan, was die Hilfsbereitschaft und Nutzbarkeit (vor allem auch ohne anwesende, sehende Begleitung) auf Deutschen Kirmesplätzen scheinbar einfacher hat, die Angebote ohne Einschränkungen zu nutzen, konnte ich für meine für Parkerlebnis durchgeführten Testbesuche regelmäßig unter Beweis stellen. Der Frühlingsdom 2019 war, mehr noch als frühere Domveranstaltungen, auf Familien als Zielgruppe ausgerichtet – dies bedeutete weniger Überkopf- und adrenalingeladene Fahrgeschäfte und Achterbahnen als zuvor. Zudem feierte die „Geisterfabrik“, eine interaktive Geisterbahn, ihre lang angekündigte Premiere. Ein Grund, bei einem sehr ausführlichen Domtest, die Nutzbarkeit von Attraktionen verschiedenster Art wieder einmal unter die Lupe zu nehmen.

Getestet wurde an insgesamt zwei Tagen; ich war, wie auch schon bei unseren früheren Testbesuchen, zumeist ohne sehende Begleitung auf dem Gelände unterwegs.

Ich sitze in einer Gondel des Dom Dancers (Bild Copyright Parkerlebnis.de)

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Gedanken-Gänge XXIX – Ist Auflegen ein „Handwerk“, das man erlernen kann? Oder: Gedanken über das DJing

Gestern habe ich mal wieder festgestellt: Man kann nicht alles – wie ein stumpfes Handwerk – erlernen, auch wenn viele dies immer gerne glauben.

Ich war mal wieder als DJ auf ner Hochzeit gewesen. Für gewisse Zeit schaute mir jemand über die Schulter, sehr wissbegierig an Technik, Bedienung der Geräte etc. Nur irgendwann stellte er die Frage, welche Songs man in dieser oder jener Situation am besten spielen könnte? Daran merkte ich, ohne überheblich klingen zu wollen, dass man DJing im Grunde nicht, wie stumpfes Handwerk, betrachten und lernen kann. Man kann lernen, mit Technik umzugehen, sie zu beherrschen, Mixing braucht man fast nicht mehr zu lernen, dies regelt leider meist die Software, da die meisten ja eh nur noch – so mein Eindruck – digital auflegen. Das Gespür für Musik, das sich Auskennen mit Musik, das wirkliche Hören von Musik ist etwas, das man – nach meinem Empfinden – nicht lernen kann. Entweder, du hast es, oder du hast es nicht. Und da hilft dir auch keine Spotify-Party-Playlist. Denn Geschmäcker können auf einer Party unterschiedlicher nicht sein.

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Freizeitparknutzung durch blinde Menschen oder: Wie gerechtfertigt sind Nutzungsbeschränkungen und Fahrtverbote?

Einleitung

Blind seinen Alltag zu meistern und auch außerhalb des häuslichen, geschützten Bereichs Freizeitbeschäftigungen nachzugehen, scheint für viele sehende Menschen teilweise schier unmachbar zu sein. Ob nun aus Gründen der eigenen Unterschätzung („Was wäre, wenn ich jetzt auf einmal erblinden würde?“) oder aus Gründen der Fürsorglichkeit, viele sehende Menschen können sich nur schwer in die Lage eines autonom handelnden, mobilen Blinden hineinversetzen.

Doch viele sehende Menschen, dies zeigten zahlreiche Diskussionen und Kommentare zu meinen für Parkerlebnis durchgeführten Freizeitpark-Tests, wollen sich scheinbar auch gar nicht in die Situation des Blinden hineinversetzen. Sie pochen auf ihre Einstellung, dass der Sehende besser wisse, was dem Blinden zuzutrauen sei und die dadurch entstehenden Teilnahmeverbote Seitens Betreiber doch nur all zu begründet wären.

„Im Gegensatz zu Diskriminierungen aufgrund anderer Merkmale im Sinne des AGG (ethnische Herkunft, Glauben, Geschlecht oder sexueller Orientierung etc.) treffen Menschen mit Behinderungen bei Ihrer Freizeitgestaltung oder auch im Alltag oftmals nicht auf Benachteiligungen aus Motiven der inneren Ablehnung, sondern auf solche, die zwar ebenfalls aufgrund von Vorurteilen, aber eher einer eigentlich positiv gemeinten überbordenden Fürsorge entspringen. Das Resultat ist jedoch das Gleiche, denn Menschen mit Behinderungen werden daran gehindert, für andere Menschen selbstverständlich zugängliche Angebote in Anspruch zu nehmen. Sei es die verbotene Achterbahnfahrt für einen blinden Menschen, der mit seinen Kindern einen Freizeitpark besucht, sei es der verwehrte Zutritt zum Restaurant im Fernsehturm oder auch nur der Hinweis vor einer Busfahrt, einem Hallenbadbesuch oder der geplanten regelmäßigen Nutzung eines Fitnessstudios, dass aufgrund des im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Rechtes auf die Inanspruchnahme einer Begleitperson (Merkzeichen „B“) eine solche auch mitzubringen oder andernfalls eine Nutzung des jeweiligen Angebotes „leider“ nicht möglich sei. Gemeinsam ist diesen Praxisbeispielen von Freizeit- oder Alltagsdiskriminierungen, dass vermeintliche Experten für bestimmte Lebensbereiche besondere Gefahren im Falle der Nutzung durch behinderte Menschen vermuten, die sie aus versicherungstechnischen oder fürsorglichen Gründen durch ein Benutzungsverbot für diesen Personenkreis vermeiden wollen.“

(Richter 2017a)

Widmet man sich ein wenig intensiver dem Bereich der Freizeitparks und betrachtet einmal die Sicherheitsbestimmungen, welche zumeist auf den Parkhomepages (z. B. beim Hansa-Park, beim Phantasialand oder auch beim Europa-Park) nachzulesen sind, ergibt sich nicht nur ein verzerrtes Bild dessen, was blinden Besuchern zuzutrauen ist, sondern auch der Rolle, die ein möglicher, sehender Begleiter hier einnehmen soll. Der sehende Begleiter gilt für viele Parkbetreiber als Grundvoraussetzung für die (Be-)Nutzung ihrer Attraktionen. Als Gründe werden eventuelle Evakuierungen angeführt, bei denen es dem Fahrgast möglich sein muss, sich aus eigener Kraft zu befreien bzw. die Anlagen aus eigener Kraft, ohne Zuhilfenahme anderer, zu verlassen. Das eine Zuhilfenahme auch durch andere Besucher erfolgen kann, wird grundsätzlich ausgeschlossen. Einige Parks gehen sogar so weit, den Begleiter einem Betreuer gleichzustellen, was allein schon aus rechtlicher Perspektive höchst fragwürdig erscheint (vgl. hierzu die Testberichte zum Hansa-Park oder unserem Phantasialand-Besuch).

Ein ähnliches Bild findet sich auch bei der Nutzung von Schwimmbädern durch blinde Menschen scheinbar wieder. Auch hier wird häufig eine Begleitung vorausgesetzt.

Doch welche Rolle kann bzw. sollte eine Begleitperson tatsächlich einnehmen? Kann und darf vor allem eine Begleitperson im Sinne eines Freundes oder Partners bei einem Personenschaden haftbar gemacht werden, so er nicht grobfahrlässig herbeigeführt wurde? Ist somit die Grundbedingung einer Begleitung, beispielsweise für die Mitfahrt in einer Achterbahn, überhaupt tragbar?

Diesen Grundsatzfragen möchte ich in diesem Essay versuchen auf dem Grund zu gehen. Es hat in der Vergangenheit bereits erste Beobachtungen und Überlegungen bzgl. Der Nutzungsthematik in Freizeitparks gegeben, welche an passender Stelle auch angeführt und zitiert werden sollen.

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Fünf Tage blind durch London – ein Reisebericht

s war endlich wieder soweit, die Abenteuerlust hatte mich wieder gepackt! Nach eintägigen Erkundungstouren durch München, Marburg sowie Wolfsburg innerhalb der letzten Monate, stand für mich definitiv fest, wieder eine Stadt im Ausland, über mehrere Tage, erkunden zu wollen. Viel zu lange waren meine längeren Städtetrips nach z. B. Oslo oder Kopenhagen schon her.

Im Rahmen meiner Freizeitparktestreihe für Parkerlebnis, wollte ich schon seit längerem dem Thorpe Park, 20 KM von London entfernt, einen Besuch abstatten. Doch nur für einen einzigen Parkbesuch nach London reisen? Da bot es sich förmlich an, auch dieser interessanten und facettenreichen Stadt einen Besuch abzustatten und sie zu entdecken.

Im Gegensatz zu meinen bisherigen Reiseunternehmungen war ich dieses Mal jedoch nicht alleine unterwegs. Ein befreundetes Pärchen (Sonja und Jakob), beide ebenfalls blind bzw. sehbehindert, begleiteten mich auf dieser Tour.

Unsere Erlebnisse während dieser fünftägigen Reise könnt Ihr im folgenden Artikel nachlesen. Der ausführliche Testbericht zum Thorpe Park folgt in kürze!

Parallel zu diesem Bericht entstand auch bei dieser Reise wieder eine Bildergalerie; ich würde Euch also wieder empfehlen, Euch beim Lesen des Berichts auch die entstandenen Bilder anzuschauen.

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Fünf Tage Jekaterinburg – Ein Reisebericht

Ein paar Worte zur Vorgeschichte

White Cane NGO ist eine in Jekaterinburg ansässige Organisation, welche seit einigen Jahren Veranstaltungen, Kurse und Events zur Integration und Inklusion von Menschen mit Handikap durchführt. Hierzu zählen auch die „International Inclusive Games“, welche einmal im Quartal stattfinden und vor allem junge Leute animieren sollen, sich in sozialen Projekten zu beteiligen.

Die Botschaft, die dabei jedoch auch vermittelt werden soll, ist, dass wir als Menschen mit Handikap unsere Ziele genau so erreichen können, wie andere Menschen auch und wir gleiches zu leisten in der Lage sind.

Teil der „Inclusive Games“ sind auch künstlerische Darbietungen, ob nun von Malern, Fotografen, Musikern oder Tänzern.

Ich hatte mich vor meiner Skandinavien-Reise auf eine Ausschreibung für das im Mai stattfindende „Inclusive Game“ als blinder DJ beworben, denn ich fühlte mich vom Konzept angesprochen und nahm sogleich Kontakt auf. Ich hatte ehrlichgesagt mit einer Absage gerechnet, denn laut Ausschreibung sah es eher danach aus, als würde man „richtige“ Musiker suchen und keinen DJ… Jedoch falsch gedacht! Gerade weil sich die Veranstaltung an junge Menschen richtet, fand man die Idee, die Konzertveranstaltung mit einem DJ abzuschließen, mehr als passend

und so wurde ich von Oleg, dem Organisator des Events, kurzer Hand nach Jekaterinburg eingeladen. Flug, Hotel, Visum und alle weiteren anfallenden Kosten würden vom Verein und den Sponsoren der Veranstaltung getragen werden. Außerdem war ich noch nie in Russland gewesen.

Da ich neben meinem DJ-Auftritt auch die Möglichkeit bekam, mir die Stadt anzuschauen, durfte auch dieses mal der Fotoapparat nicht fehlen! Darum auch hier wieder meine Empfehlung, sich auch die Bilder und vor allem auch die Videos anzuschauen.