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Gedanken-Gänge 44 – Shutdown, Lockdown, Knockdown? Ein paar Gedanken zur Coronakrise und dem, was wir daraus machen

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll… Lang habe ich überlegt, ob ich diesen Text überhaupt ins Netz stellen soll, gerade jetzt, wo (fast) jedes Bundesland ja seine Corona-Lockerungen beschlossen hat und ein Stück weit annähernde „Normalität“ in unseren Alltag zurückkehrt – soweit es nach diesem Shockdown überhaupt noch möglich ist.

Dennoch – nach über sechs Wochen tagtäglichen Corona-Berieselung auf allen Kanälen, hier ein paar kritische, teils auch durchaus sarkastische Gedanken zur ganzen Corona-Misere.

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18.12. – Der Tag, an dem du von uns gingst… oder: Auch Zeit heilt solche Wunden nicht

Manche Themen sind so unangenehm, dass viele sie lieber verschweigen würden – so auch der Tod. Wenn Menschen von uns gehen und man selber droht ins Trauerloch zu fallen, merkt man dies sehr deutlich an der Reaktion anderer.

Vor genau zehn Jahren nahm mein Vater sich in der Nacht auf den 18.12. das Leben – einfach so, ohne dass es vorab irgendwelche offensichtlichen „Vorzeichen“ oder „Gründe“ gegeben hätte. Doch genau danach beginnt man als Angehöriger bzw. Sohn zu suchen. Gräbt in den vergangenen Jahren nach möglichen Gründen, fragt sich selbst, ob man hätte etwas anders machen können und müssen, grübelt, ob man etwas falschgemacht hat, tauscht sich mit Nachbarn aus, bloß um ein Anzeichen für diese „Entscheidung“ zu finden. Und im gleichen Atemzug verteufelt man diejenigen, die einem genau mit diesen Fragen konfrontieren: „Warum? Habt Ihr denn vorher nichts gemerkt? Gab es Streit?“

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Gedanken-Gänge 42 – Manchmal war früher eben doch vieles besser… oder: Eine kleine Hommage an die neunziger Jahre

In zahlreichen Beiträgen in sozialen Netzwerken, ja sogar in ganzen Gruppen, wird der Nostalgie freien Lauf gelassen. Für viele Menschen waren die neunziger Jahre mit das beste und tollste Jahrzehnt, die schönste Zeit – wobei das sicherlich viele von den Jahren der eigenen Kindheit behaupten werden. Ja selbst in unzähligen Retrospektiven im TV und in Live-Comedy-Shows wird seit geraumer Zeit den Neunzigern gedacht und die Musik dieses Jahrzehnts erlebt spürbar ihr Comeback, ob nun im Radio oder auf Partys. Gründe genug, auch hier mit einer kleinen Hommage an die eigene Kindheit zu starten. Mal ohne all die Probleme, die es damals schon gab oder die Dinge schlecht zu reden, die wir „damals“ noch nicht hatten. Und ich verzichte hier bewusst auf Bilder und Videos, die meine Erinnerungen durchaus illustrieren würden und überlasse Euch ganz und gar Eurer Fantasie.

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Gedanken-Gänge 41 – Es gibt nur Schwarz-Weiß-Maler oder: Ein paar Gedanken zu Greta Thunberg und der Fridays For Future Bewegung

Hut ab. Die Gesellschaft teils sehr spürbar in zwei Lager zu teilen, schafften bislang nur Politiker mit ihren Äußerungen und Taten. Wobei es hier sogar oftmals viel vielschichtigere Meinungen und Kommentare gibt, als bei dieser jungen Frau. Denn in nur einem Jahr hat es ein 16jähriges Mädel aus Schweden nicht nur vollbracht, Tausende junge Menschen Freitags auf die Straße zu bringen, sondern auch, eine Diskussion zu entfachen, die in unserer Gesellschaft ihresgleichen sucht. Grund genug, zum Jahresende einen Versuch zu starten, die ganze Geschichte etwas differenzierter zu betrachten.

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Gedanken-Gänge XXXX – Von Fastfood, Shopping & co oder: Ein Rundgang durch die geläufigsten Anglizismen unserer Alltagssprache

Deutsche Sprache, schwere Sprache – heißt es ja so schön. Unterhält man sich jedoch mit älteren Menschen, so bekommt man nach ihren Aussagen jedoch den Eindruck, dass von der Deutschen Sprache eh nicht mehr soviel übrig ist, so sehr übernehmen wir Ausdrücke, vornehmlich aus dem Englischen, mit in unseren alltäglichen Sprachgebrauch. Mit Baujahr ’84 wurde ich in eine Generation hineingeboren, in der Anglizismen (Erklärung folgt gleich) mit an der Tagesordnung waren; es für uns somit nicht mehr „besonders“ war, Lehnwörter aus dem Englischen mit ins Deutsche zu übernehmen – und wenn es nur das einfache „cool“ war und ist.

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Gedanken-Gänge XXXIX – Es gibt immer was zu Meckern oder: Sich über Dinge beschweren, die jedoch anderen helfen

Ein Sprichwort besagt, das alles was uns nicht tötet, uns abhärtet. Wenn dem wirklich so ist, sollten einige von uns sich manches Mal überlegen, über was sie sich so beschweren.

Ich las gestern auf Facebook, dass sich jemand über das Piepen der Blindenampel unter seinem Fenster beklagte; das würde ihn (oder sie) stören. Im ersten Augenblick mag man ja denken: „Na klar, es piept monoton, mal leiser, mal laut, das kann schon nervig sein“. Ich beobachte allerdings immer wieder, dass sich Menschen erschreckenderweise immer über die Dinge zu beschweren scheinen, die anderen Leuten helfen – siehe Beispiel Blindenampel.

Ob nun die Blindenampel (die übrigens ja nicht immer piept, zumindest in Hamburg nicht, sondern nur dann, wenn man das Tonsignal per Knopfdruck anfordert), die Ansagen in der Bahn oder sogar den Leitstreifen am Bahnsteig, immer scheint es irgendwen zu geben, der sich darüber echauffiert; oder, um es mit den Worten von Tilo Wolff bzw. seiner Band Lacrimosa zu sagen: „Irgend ein Arsch ist immer unterwegs“ – und damit wollte er genau dies zum Ausdruck bringen.

Wer sich jetzt fragt, was Menschen an solchen Hilfsmitteln stört – hier mal ein kurzer Abriss über mögliche Beweggründe.

Die Blindenampel, also Ampel mit akustischen Signalen, scheint einige Mitmenschen schon allein deswegen zu „stören“, weil – je nach Ausführung und verwendetem Signalgeber – die Ampel schon einmal dauerhaft tickert. Dies dient übrigens dazu, dass wir blinden Teilnehmer am Straßenverkehr diesen Ampelmasten überhaupt erst finden können. Denn ein abgeflachter Bordstein ist noch kein Garant, dass sich hier auch eine Ampel befindet. Außerdem wird das Ticken, je nach Lautstärke des Straßenlärms, auch mal lauter, mal leiser. Hinzu kommt noch dieses von vielen als nervig empfundene Piepen während der Grünphase. Zugegeben: So viele blinde Menschen überqueren eine Straße oftmals gar nicht, so häufig wie die Ampel piept. Liegt wohl daran, dass es Passanten gibt, die ernsthaft glauben, durch penetrantes maltritieren des Auslösers würde die Ampel schneller umspringen – Trugschluss, meine Lieben. Auch der Irrglaube, man bräuchte nur S.O.S. mit dem Taster zu „morsen“ und es werde Licht (äh Grün), stimmt nicht. So weit, so gut. Es mag auch Ampeln in Deutschland zu geben, bei denen ein Anfordern des Piepstons gar nicht möglich bzw. nötig ist, da sie immer, bei jeder Grünphase munter piept. Aber auch eine Grünphase geht mal vorbei und wer an einer stark befahrenen Straße, direkt an der Kreuzung wohnt, sollte sich lieber über den dauerhaften Straßenlärm aufregen, anstatt über piepende Ampeln. Zumal viele Ampelanlagen des Nachts eh abgeschaltet werden und somit auch das Piepen wegfällt. Dass es durchaus auch Leuten helfen kann, blendet man gerne aus.

Ansagen in Bus oder Bahn sind auch nicht jedermanns Freund – doch warum eigentlich? Mag an unserer derzeitigen Gesellschaft liegen, denn viele tragen ja sowieso ihr unsichtbares „bitte nicht stören, bitte nicht ansprechen!“ Schild mit sich herum, dies merkt man allein schon, wie sehr manche in, auch auf der Straße, in ihre Smartphonewelt abtauchen. Viele scheinen sich, ob nun im ICE oder in der heimischen S-Bahn, über Ansagen aufzuregen, weil sie wohl gerade in ihrer Unterhaltung, im Sekundenschlaf, Tagtraum oder bei ihrer „Arbeit“ gestört werden. Aber gerade dann ist die Einordnung einer Ansage als Störfaktor unlogisch, denn ist man im Buch oder Laptop vertieft, schaut auch nicht aus dem Fenster oder auf die Uhr, mag man sicher auch gern vergessen, dass man sein Ziel erreicht hat. Und trotzdem missfällt es manchen Fahrgästen, dass es Durchsagen gibt – schon komisch, oder? Ich saß 2015 mal in einer Eurobahn nach Venlo und hätte den Ausstieg Dank fehlender Durchsagen beinahe verpasst. Auf dem Bahnhof traf ich durch Zufall den Schaffner, der mir sagte, es hätten sich Leute über Durchsagen morgens im Zug beklagt, darum würden einige Kollegen sie in den ersten Zügen abschalten. Wenn es doch auch nur einmal anders herum funktionieren würde – komischerweise geht das selten.

Leitstreifen (oder sollte ich „Leidstreifen“ sagen?) helfen blinden Menschen, sich an der Bahnsteigkannte entlang zu orientieren, den nächsten Treppenabgang, den Aufzug oder die Notrufsäule zu finden. Manche nutzen sie jedoch auch gern als „Haltelinie“ (man soll ja hinter der Linie bleiben, will aber unbedingt der Erste an der Tür sein) und stellen sich mit Sack und Seil darauf. Andere wiederum hassen sie, weil sich der Koffer Dank Leitstreifen (so sie vernünftig konstruiert sind) echt schwer ziehen lässt. Ein paar Zentimeter weiter zur Bahnsteigmitte zu gehen? Kommt für sie nicht in Frage. Ich habe auch schon Leute mit Kinderwagen leider fluchen hören und wundere mich auch hier, warum es vielen nicht möglich ist, einfach ein paar Schritte zur Seite zu gehen, um auch hier das Gefährt besser schieben zu können.

Sich erst mal zu beklagen, ohne zu wissen, über was man sich da eigentlich beklagt, scheint vielleicht hierzulande ein Stück weit in der Natur des Menschen zu liegen? Anstatt sich über wirklich „sinnvolle“ Dinge aufzuregen, sind es dann meist diese Kleinigkeiten und das – natürlich – oftmals auch aufgrund von Unwissenheit.

Dabei hätten z. B. blinde Passanten, Zugfahrer oder wer auch immer, durchaus auch den einen oder anderen Grund, sich über dieses oder jenes aufzuregen – z. B. abgeflachte Bordsteine, die so flach sind, dass kaum mehr mit dem Stock erkennbar ist, ob man sich auf dem Gehweg oder der Straße befindet. Aber dies hilft jedoch den zahlreichen Rollifahrern, sich unbeschwerter fortzubewegen. Also muss man sich an gegebenem Ort dann nach Alternativen umschauen, Dinge, die einem helfen können, trotzdem nicht auf der Straße zu landen. Genauso, wie der, dem die Ansagen im Zug stören, einfach Ohrstöpsel einsetzt oder diejenigen, die sich über piepende Ampeln aufregen, einfach nach dem Lüften das Fenster auch wieder schließen könnten. 😉

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Gedanken-Gänge XXXVIII – Der Wunsch, allen gerecht zu werden und die Angst vor Entfremdung oder: Wenn wir uns am Ende selbst belügen

In letzter Zeit war ja, vor allem hinsichtlich der wieder aufkeimenden Rassismus-Debatte und der immer zunehmenden Zahl an „Protest“- oder sonstigen AFD-Wählern schon des öfteren mal von sog. „Entfremdung“ die Rede. Für viele ein Unwort, für andere ein Ausdruck von Angst schlecht hin.

Was ist denn diese ominöse „Entfremdung“ nun eigentlich? Im Grunde, fragt man mal Menschen in seinem Umfeld, die dieses Wort gebrauchen, wäre Entfremdung allein schon der Einfluss aus anderen Ländern, die hierzulande ihre Anwendung finden. Ob nun kulturell, sprachlich (dazu in Bälde ebenfalls ein weiterer Beitrag), religiös oder sonstwie geartet. Problem an der ganzen Geschichte ist, dass sich viele, die dieses Unwort verwenden, zum einen nicht mit dem „Anderen“ auseinandersetzen (wollen) und zum anderen sehr wohl zu vergessen scheinen, dass wir Deutschen von je her schon immer anderen Einflüssen usw. ausgesetzt waren. Wer dies abstreitet, möge mal an die diversesten Dinge denken, die in den letzten Jahrhunderten – und zwar aus anderen Ländern und Kulturen – z. B. allein schon durch die Seefahrt mitgebracht (importiert) und somit verwendet wurden. Oder sind Kaffee, Kakao, Nudeln, Reis oder Pfeffer etwa Dinge, die – im übertragenen Sinn – auf Deutschem Mist gewachsen sind? Wohl kaum.

Trotzdem reden wir über Entfremdung bzw. haben viele in unserem Land Angst davor -, gehen jedoch zum Italiener, essen Kebab oder lassen sich von jemandem mit Migrationshintergrund beim Frisör die Haare schneiden was doch für eine Farce. Entfremden wir uns also allein schon durch diese Angst ein Stück weit selbst?

Deutschland ist inzwischen ein Schmelztigel aus verschiedensten Nationen und Kulturen, jedoch haben wir es bisher immer geschafft, trotzdem in der kulturellen Vielfalt unsere Traditionen zu wahren. Wieso also fühlen wir uns so überrannt auf einmal? Drang,

Ist es vielleicht, weil nun diejenigen, die einmal fremd in unserem Land waren, nun auch ihre Rechte auf Gleichbehandlung und Religionsfreiheit fordern? Von Kritikern wird in diesem Zusammenhang meist durch Stammtischparolen geantwortet, dass wenn wir im großen Stil in ein kulturell und religiös anders gelagertes Land auswandern würden, wir uns schließlich auch an die neue Heimat anpassen müssten und nicht das Land sich an uns. Ein Fünkchen Wahrheit mag ja dran sein, denkt man beispielsweise daran, dass es in anderen Kulturkreisen nicht erlaubt ist, so freizügig gekleidet herumzulaufen, wie viele es hierzulande tun – wobei es auch hier Menschen gibt, die sich hierüber aufregen und zwar aus den eigenen Reihen!

Das „Problem“ hierzulande dürfte nicht nur allein die Angst vor „Entfremdung“ sein, sondern auch der Drang, es wirklich allen rechtmachen zu wollen. Und zwar nicht nur in kultureller Sicht, sondern auch in sprachlicher. Da regen sich Leute auf, weil ihre nicht-christlichen Kinder an einem Martinsumzug teilnehmen – prompt wird dieser umbenannt, ohne zu beachten, dass Martin zwar ein guter, frommer Mann, jedoch nicht unbedingt ein Christ war. Interessiert bloß keinen. Vieler Orts wurden und werden Weihnachts- in Winter- oder sonstwas für Märkte umbenannt – gut, dass Weihnachtsmärkte vieler Orts nichts mehr mit Weihnachten am Hut haben, lassen wir mal außenvor. Umgekehrt würde jedoch wohl kein Moslem auch nur auf die Idee kommen, sein „Zuckerfest“ aufgrund des immer größer werdenden Gesundheitswahns und dem Drang, Kindern Süßes – wenn überhaupt – nur noch in Maßen zu gewähren, hierzulande sein „Zuckerfest“ umzubenennen. Und selbst wenn ich als Christ, Jude, Babtist oder sonstwer hierzu eingeladen werde, ich käme im Traum nie darauf, eine Namensänderung zu fordern. Aber so ist sie halt, unsere Political Correctness. Durch sie werden auf einmal kulturelle Traditionen und Benennungen auf den Prüfstand gestellt und Diskriminierungen entdeckt, die vorher noch keiner gefunden hat. Böse gesagt, wenn jemand zum Martinsumzug oder Weihnachtsmarkt, ja selbst zum Karnevalsumzug nicht gehen mag und diesen, sei es nur der Bezeichnung wegen, für sich und seine Kinder ablehnt, möge er dies tun, kein Problem. Statt diese Leute sprachlich abzuholen sollte es eher unsere Aufgabe sein, die Feste und Bräuche derjenigen, die wir in unsere Gesellschaft zu integrieren versuchen, zu akzeptieren. In anderen Ländern und Städten (z. B. Sarajevo sei als Paradebeispiel genannt) funktioniert das doch auch – nur bei uns natürlich nicht.

Wenn wir doch diesen Drang verspüren, unsere Kultur, Sitten und Bräuche auf einmal auf den Prüfstand zu stellen und alles mögliche zu hinterfragen, zerstören wir somit ein Stück Kultur nicht auch? Schließlich müssten wir uns gegenüber erst einmal wirklich ehrlich sein: Die wenigsten von uns sind heute noch wirklich gläubig und gehen in die Kirche, alle feiern jedoch – mal mehr, mal weniger – Weihnachten. Wenn wir also wirklich so sprachlich korrekt sein wollen, müssten wir Weihnachten der Wahrheit wegen doch eher in „Konsumfest“ umbenennen, denn sich Besinnen auf die Geburt Jesu, allein schon das Hören oder Lesen der Weihnachtsgeschichte, machen von uns, vor allem den Jüngeren, wohl auch nur noch die wenigsten. Also, halten wir mal lieber den Ball flach, bevor wieder mal jemand wegen „Entfremdung“ schreit.

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Gedanken-Gänge XXXI – „Wo ist Ihre Begleitung?“ oder: Über Beschützerinstinkte, die keiner braucht

Viele von uns Menschen mit Behinderung kennen diese Situationen nur zu gut: Man befindet sich irgendwo, ob in einem Restaurant, in einem Laden, in der Bahn, im Konzert, im Kino oder im Schwimmbad und wird (für den nicht Behinderten wie selbstverständlich) nach einer vorhandenen Begleitperson gefragt. Dem „Warum“ dieser Frage auf dem Grund zu gehen ist dabei gar nicht so einfach. Einerseits sind es die vielerseits vorhandenen Selbstunterschätzungen (was wäre, wenn ich jetzt in der Situation wäre?), andererseits das vorhandene Halbwissen über den Schwerbehindertenausweis, seine sog. Merkzeichen und deren Bedeutung.

Was Beschützerinstinkt, Selbstunterschätzung und Überforderung mit der Situation anbelangt, so hilft einem hier häufig nur zu versichern, dass man dieses oder jenes auch alleine schafft. Zeigt sich der andere unbeeindruckt, könnte man auch freundlich hinterfragen, ob er/sie in dieser Situation eine Begleitung dabei haben würde? Doch stößt diese Gegenfrage meist auch wieder auf Unverständnis („Wieso, ich bin ja nicht blind/sitze ja nicht im Rolli etc.“); was aber auch nur wieder zeigt, wie wenig sich viele Menschen tatsächlich mit dem Leben mit Behinderung und den vorhandenen Möglichkeiten auseinandersetzen. Viele, auch unter den Leuten mit Behinderung, argumentieren hier, woher es nicht Betroffene auch besser wissen sollten? Aber sorry, diese Pauschalausrede kann, genau wie die Pauschalforderung nach Begleitung, ebenso getrost an der Kasse zurückgelassen werden.

Spannend ist dabei die Beobachtung, dass – wie bei kleinen Kindern – Anbieter, Betreiber, Supervisoren und teils sogar nur Kassierer immer besser zu wissen glauben, wann, wo, wie und wieviel ich als Gast Begleitung brauche. Und selbst, wenn ich mich in meinem Nutzungswunsch, dieses oder jenes ohne Begleitung tun zu wollen, überschätzen würde, obliegt es am Ende trotzdem weiterhin mir und nicht einer fremden Person, hierüber zu urteilen – ein Wunschtraum, auch noch im einundzwanzigsten Jahrhundert.

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Gedanken-Gänge XXX – Inklusion? Aber nur, soweit die Nichtbehinderten es zulassen!

Inklusion – für viele gehört sie inzwischen zu einem der wichtigsten Güter in unserer modernen Sozialgesellschaft, für andere wiederum ist sie wie ein belastender Klotz am Bein. Diese „Belastung“ bekommt man indirekt vor allem dann zu spüren, wenn man sich die zahlreichen Negativmeldungen von überforderten Lehrern und dergleichen anschaut.

Böse Zungen sagen, dass Inklusion nur dann akzeptabel und umsetzbar ist, wenn sie dem Nichtbetroffenen nichts kostet, weder Aufwand, Nerven, Umdenken oder Geld: Bloß nichts verändern oder anders machen, schon gar nicht, wenns was kostet!

Wie ich in einem früheren Beitrag bereits schrieb, kann Inklusion teilweise auch gar nicht funktionieren, so lange wir Behinderung immer nur als solche, also als eine Einschränkung, betrachten. Denn in der Diskussion schwingt bei Nichtbetroffenen immer der unterschwellige Wunsch mit, dass es irgendwann einmal der Medizin möglich sein sollte, Behinderungen gar nicht erst auftreten zu lassen oder sie später dann zu beseitigen. Bis dahin mögen wir uns bitteschön weiterhin unterbuttern lassen.

Gerade im vergangenen Jahr sorgte ein Vorfall hier in Hamburg, zumindest kurzzeitig, mal für ein wenig Wirbel im Inklusionswasserglas. Der Fall hat sich inzwischen, wenn auch nur annähernd, geklärt, ist aber ein perfektes Paradebeispiel dafür, wie Menschen heute über Teilhabe denken.

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Gedanken-Gänge XV: Sollte ich Angst haben? Ein kurzer Kommentar zu aktuellen Ereignissen

Ein neuer Terroranschlag erschüttert die westliche Welt. Selbstmordattentäter haben sich und damit viele weitere, unschuldige, Menschen in Brüssel in den Tod gerissen. Die Politik versucht nun, durch verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen, zukünftigen Anschlägen aus dem Weg zu gehen oder, sie zumindest scheinbar zukünftig besser verhindern zu können.

Und wieder einmal haben uns Terroristen an einem Punkt getroffen, der unseren Alltag betrifft: das Reisen nämlich.

Die Grausamkeit, mit der diese Menschen angeblich für ihren Glauben vorgehen, ist erschreckend. Noch mehr erschreckt mich dabei jedoch, wie Medien indirekt versuchen, die Angst vor weiteren Anschlägen zu schüren!

Denn man möchte scheinbar keinen Optimismus der Bürger transportieren, möchte nicht zeigen, dass sie sich auch durch solch schreckliche Ereignisse nicht in ihrem Lebensdrang und –Willen beeinflussen lassen. Lieber zeigt man uns die von uns gewählten Politiker, die um unser aller Wohl besorgt sind, erzählt von Krisengipfeln, neuen Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen usw. Der „normale“ Bürger, den man gerade an der U-Bahn-Station auf dem Weg zur Arbeit abgefangen hat, lässt man scheinbar nur im Radio zu Wort kommen, wenn er die Besorgnis und die Angst, dass so etwas wie in Brüssel auch hier in Deutschland passieren könnte, teilt.

Und das ist es doch, was die Drahtzieher hinter solchen Anschlägen erreichen wollen. Wir sollen uns doch gerade einschränken, ängstigen, auf der Hut sein. Keine Rockkonzerte, keine Fußballspiele, keine Reisen. Wenn ich vor jeder Aktivität, die nicht durch meinen Glauben begründet ist, die mir Spaß bereitet, bei der ich ausgelassen feiere oder sonst etwas tue, was denen gegen ihre religiöse Hutschnur geht, Angst haben muss, dass mir etwas passieren könnte, dann läuft hier etwas gewaltig falsch.

Wenn ich mich mit anderen über diese Einstellung unterhalte, so stimmt man mir im ersten Augenblick zu, man merkt aber, dass irgendwo doch ein Stück weit Angst mitschwingt – was ist, wenn doch etwas passiert?

Plump gesagt: Wenn doch etwas passiert, werde ich es nicht ändern und – schlimmstenfalls – auch nicht verhindern können. Ich werde nicht vor einem kurz abgestellten Koffer schreckhaft Abstand nehmen. Ich werde nicht panisch den U-Bahn-Wagen verlassen, wenn eine Gruppe Flüchtlinge einsteigt. Ich werde nicht große Menschenansammlungen auf Plätzen oder bei Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen meiden. Ich werde nicht im stillen Kämmerlein hocken, hoffen und vor allem beten, dass die Welt da draußen besser wird, bloß, weil Fanatiker es so wollen.

Sollte ich also Angst haben? Wenn ja, dürfte ich diesen Artikel hier gar nicht veröffentlichen, denn irgendwem könnte er nicht passen und dieser jemand könnte mir somit ja auch an den Kragen wollen. Und deswegen lieber erst gar nichts sagen?