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Gedanken-Gänge 41 – Es gibt nur Schwarz-Weiß-Maler oder: Ein paar Gedanken zu Greta Thunberg und der Fridays For Future Bewegung

Hut ab. Die Gesellschaft teils sehr spürbar in zwei Lager zu teilen, schafften bislang nur Politiker mit ihren Äußerungen und Taten. Wobei es hier sogar oftmals viel vielschichtigere Meinungen und Kommentare gibt, als bei dieser jungen Frau. Denn in nur einem Jahr hat es ein 16jähriges Mädel aus Schweden nicht nur vollbracht, Tausende junge Menschen Freitags auf die Straße zu bringen, sondern auch, eine Diskussion zu entfachen, die in unserer Gesellschaft ihresgleichen sucht. Grund genug, zum Jahresende einen Versuch zu starten, die ganze Geschichte etwas differenzierter zu betrachten.

Das Klima und der Wandel, der Müll und das Plastik… oder: Dinge, die keiner hören will

Das Problem ist doch nicht erst seit gestern bekannt. Die Ozonschicht wird dünner, das Eis schmilzt, die Temperaturen werden Jahr um Jahr – wenn auch teils nur geringfügig – wärmer, Wetterextreme lösen sich ab. Dass wir nach längerer Zeit mal wieder „richtige“ Sommer hatten, wird mit viel Argwohn betrachtet. Schuld daran ist die globale Erderwärmung, der übermäßige Ausstoß von CO² und der Wille, scheinbar nichts daran (ver)ändern zu wollen – so hat es für viele Klimaschützer zumindest den Anschein.

Und in der Tat scheint Klimaschutz keine Frage der Machbarkeit oder Lösbarkeit zu sein, sondern vielmehr ein Abwägen zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen, wobei die Wirtschaftlichkeit wohl immer noch den Löwenanteil besitzen dürfte. Dies sah man deutlich beim beendeten Klimagipfel, dessen Endergebnis mehr als nur ein schlechter Adventsscherz ist. Viel zu groß sind die wirtschaftlichen Interessen, die viele Industriestaaten verfolgen, die einer klimafreundlicheren, oder sogar klimaneutralen, Produktion ihrer Güter und Artikel jeglicher Art im Wege stehen. Egal ob es um Stromerzeugung oder dem Ausstoß von CO² geht, die Nationen scheinen sich nicht einig zu sein.

Ein großer Druck lastet diesbezüglich auch auf Deutschland, bei dem sich viele natürlich fragen, ob wir hinsichtlich des Klimaschutzes so das Ruder herumreißen können oder ob es am Ende nicht nur bloß wieder der Tropfen auf dem heißen Stein wäre? Denn schließlich sind andere Nationen viel weniger bereit, getroffene Abkommen einzuhalten, geschweige denn sie weiter auszubauen und den Klimaschutzwillen somit zu verstärken.

Jedoch würde nicht jeder Wirtschaftszweig von Klimafreundlichkeit profitieren. Die Bauerndemos der vergangenen Wochen zeigten, dass nämlich auch in puncto Klima- und Umweltschutz nicht alles Gold sein kann was glänzt und nicht jede Verordnung von jedem umgesetzt werden kann. Werden sie Gehör finden? Irgendwie ist ihr Ruf im Lärm der Fridays For Future (FFF) Demos gefühlt ungehört verhallt.

Völliges Unverständnis wird auch geerntet, sollte man sich für klimafreundlichere Fortbewegungsmöglichkeiten einsetzen wollen. Viele, auch hierzulande, lieben ihr Auto und nutzen es doch recht ausgiebig. Zwar konnte der ÖPNV durchaus einen stetigen Nutzungszuwachs verzeichnen, aber die Anzahl der Benzinerfahrer ist immer noch recht hoch, trotz Subventionen beim E-Auto-Kauf. Dass die Produktion eines solchen E-Autos auch nicht gerad klimafreundlich vonstatten geht, gerade wenn es um die Akkus geht, und das scheinbar immer noch niemand so recht weiß, was tun bei brennender Batterie, mögen viele nicht hören. Ebenfalls zu klären wäre, woher der ganze Strom kommen soll, wenn wir nach gefahrener Strecke die E-Autos wieder aufladen müssen und nebenbei ja sowieso immer mehr Elektrogeräte unseren Alltag dominieren. Kritiker sprechen auch vom Stromblackout, Laborversuche und Hochrechnungen bestätigen dies sogar, jedoch finde ich auch dies ein Stück weit übertrieben und sehr mit Vorsicht zu genießen. Was aus dem Erdgaßantrieb geworden ist? Von dieser Alternative hört man kaum mehr was in dieser allumfassenden E-Mobilitäts-Debatte.

Und wer das Flugzeug besteigt, ist ja schon mal sowieso der „Böse“. Flüge sollen ab kommendem Jahr auch höher besteuert werden, um mehr Reisenden – vor allem den Geschäftsleuten auf Kurzstrecken – ein wenig das Fliegen zu vermiesen. Glaube jedoch ehrlich gesagt, dass diese Rechnung aufgehen wird; beim Privatpassagier vielleicht, aber beim Rest? Denn unumstritten ist das Flugzeug immer noch mit das schnellste Verkehrsmittel, CO² hin oder her. Und viele von uns lieben es, die Welt zu entdecken und in ferne Länder zu reisen! Wer dies jedoch kundtut, läuft heutzutage Gefahr, ebenfalls ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten – „Wie, du fliegst? Was bist du doch für ein Umweltsünder! Ich würde darauf, der Umwelt zu Liebe, verzichten.“ Kann der/diejenige ja gerne machen, aber das Schiff ist auch keine brauchbare Alternative bei nur rund 30-35 Tagen Urlaub im Jahr. Aber diese Schicksalsfügung, vieles nicht mehr machen zu können, ergreift immer mehr Menschen

Ein „böser“ Mensch ist, wer auch weiterhin Tierprodukte isst. Entstanden zwar nicht aus der Klimaschutzbewegung, erfährt dieser Argumentationszweig trotzdem immer mehr Befürworter. Denn schließlich würden Tierhaltungen, vor allem von großen Massen, ebenfalls zur Klimamisere beitragen – vom Wohl der Tiere wohl mal ganz zu schweigen.

Wwo ja ebenfalls Uneinigkeit herrscht, und das schon im eigenen Land, ist bei der Verwendung von Plastik. Unsere Meere sind voll davon – woran liegt es? Nicht daran, dass wir soviel Plastikmüll produzieren, sondern eher, wie und wo dieser am Ende entsorgt wird. Wir schaffen es scheinbar nicht, mit eigenen Ressourcen unseren selbstproduzierten Müll zu entsorgen und müssen diesen dann an andere Nationen weiterverkaufen. Nur warum? Warum sind wir, wenn wir schon selbst für diese Mengen verantwortlich sind, nicht dazu in der Lage, bei uns adäquate Entsorgungs- oder Recyclingmöglichkeiten zu schaffen? Wohl, weils zu teuer ist und das Verbrennen von Müll ebenfalls wieder genug CO² oder andere Stoffe in die Luft pulvert. Also doch lieber gleich das Unglück an der Wurzel packen und vollends auf Wegwerfplastik verzichten. Zugegeben, viele Produkte sind auch durchaus mit Papier oder Pappe verpackbar, da hätte es die Folie nicht gebraucht. Und auch an anderen Stellen ließe sich der Einsatz von Einwegplastik vermeiden – jedoch jeden Plastikartikel sofort, wie es leider bei vielen geschieht, auf dem Prüfstand zu stellen, dürfte ein löbliches Ziel, mit jedoch langem Weg sein.

Greta oder: Der Hype, ein Fake, eine Verschwörungstheorie?

Mehr noch, als die Daten und Fakten zum Klima und wie wir es schützen können, wird um einen Mensch herumdiskutiert, welcher im Grundansatz erst einmal nur auf die Klimaproblematik aufmerksam gemacht und eine große Menge an – wie sie ja gern genannt werden – „Jünger“ um sich gescharrt hat. Die FFF-Bewegung war anfänglich für viele Erwachsene überhaupt nicht greifbar: Was wollen die, wieso schwänzen die Schule, wieso demonstrieren die nicht – wie jeder andere auch – in ihrer Freizeit?! Gerade diese letzte Frage lässt sich kurz und direkt beantworten: Weil die Bewegung um Greta Thunberg sonst null Aufmerksamkeit bekommen hätte und nicht zu dem herangewachsen wäre, was sie heute ist. Wer in einer Gewerkschaft ist und sich beim nächsten Warnstreik für mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen einsetzt, tut dies wann? Natürlich nicht in der Freizeit, sondern schön während der Schicht! Alles andere wäre sinnlos und würde wie Rauch in der Luft verpuffen.

Also ging und geht man, mal mehr oder weniger groß, allfreitags auf die Straßen und demonstriert. Doch finden sie Gehör? Bei Wissenschaftlern und teilweise Politikern schon, jedoch ist es nach ganz oben noch nicht durchgedrungen. Wie gesagt, der beendete Klimagipfel ist allerbestes Beispiel hierfür. Doch ist diese Vehemenz, dieses Durchhaltevermögen – ob man nun all ihre Argumente unterstützen mag oder nicht – auch bewundernswert, findet sie sich in unserer Geschichte doch auch an anderer Stelle durchaus wieder (Beispiel Montagsdemos).

Hingegen ist dieser Hype um Greta und ihren Klimawahn auch auf eine gewisse Art negativ faszinierend. Kein junger Mensch, und sei er noch der große Influencer auf YouTube, hat es wohl im letzten Jahr geschafft, die Gesellschaft – ob jung oder alt – dermaßen zu spalten. Viele können den Hype um „Klimaprophetin“ Greta nicht verstehen bzw. nachvollziehen, wollen es auch gar nicht. Vielen vornehmlich älteren Menschen missfällt, dass eine Jugendliche derartig penetrant, jedoch auch offen, auf Missstände aufmerksam machen kann und scheinbar dabei von niemandem in die Schranken verwiesen wird.

Der Star-Hype um Greta nimmt jedoch Formen an, die niemand vorhergeahnt hätte, ja die man bei sich und seiner Einstellung zu ihr auch einmal hinterfragen sollte. Sie sagt etwas, sie sitzt auf dem Boden eines vollen Zuges, sie muss mit ihrem Boot abgeschleppt werden – alle Welt nimmt daran Teil, alle Welt beäugt es misstrauisch oder feiert sie bis in den Himmel. Nur scheint es hier leider nur Schwarz oder Weiß zu geben. Die Befürworter ihrer Bewegung und ihren Taten scheint manchmal jedes Mittel, jede Argumentation recht, Kritiker in ihre Schranken zu weisen – und das ist eigentlich ja etwas, das meist den Kritikern vorgeworfen wird. Noch so konstruktiv gemeinte, jedoch destruktiv empfundene Äußerungen und Kommentare werden im keime erstickt und in den sozialen Medien totdiskutiert; Vertreter gegensätzlicher Meinungen ergeht es da übrigens ja nicht anders.

Der Greta-Hype ist zum Schmelztigel des Klimawahnsinns und einer Diskussionskultur geworden, dass man sich mit Recht fragen muss – darf ich diesen Artikel noch teilen oder meine Meinung dazu äußern? Schnell wird man flux in eine Meinungsschublade gestopft und hilft das nicht, wird einfach mal schnell dem Schreiberling unvollständiges Wissen attestiert. Aber hey, wie war das doch noch gleich mit der Meinungsfreiheit?

Es ist nicht erlaubt, Äußerungen in Frage zu stellen – was Gretchen sagt, ist wahr. Man hätte ihr ihre Kindheit geraubt, hieß es doch. So gesehen stimmt das nicht, denn ihre Kindheit hat sie womöglich gut aufgehoben und behütet bereits hinter sich gebracht, ohne Sorgen oder dem Wissen, was sie einmal für ein Chaos auslösen würde. Einzig allein die Zukunft könnte uns weiter geraubt werden, sollten große Wirtschaftsmogule und Politiker nicht die Reißleine ziehen – das wurde jedoch so nicht gesagt. Stattdessen wurde ihr Auftritt in alle Einzelteile zerlegt – ob zu unrecht oder nicht, lasse ich mal ganz außenvor. Denn diese Aussage, ihre Kindheit sei geraubt worden, besitzt durchaus auch metaphorischen Charakter: Denn in den Neunzigern wurde doch im großen Stil bereits auf Ozon & co aufmerksam gemacht. Jedoch, so hatte man den Eindruck, wurde das ganze Thema schön kleingeredet und vielleicht auch totgeschwiegen. Aber wäre die Kindheit an sich eine andere gewesen, wenn wir damals schon reagiert hätten? Die Kindheit wohl nicht, jedoch vielleicht das, was nach ihr folgte.

Trotzdem ist der Wahn um sie nicht nachvollziehbar. Allein deswegen schon nicht, weil politische Ränder diese Diskussion für ihre Zwecke missbrauchen und sich somit die Gesellschaft in zwei Lager spaltet bzw. gespalten wird, in die viele von uns gar nicht wollen! Wer dagegen ist, alles in Frage stellt, gehört in das rechte Lager, wer dafür ist, freitags demonstrieren geht usw. ins Linke. Doch ist es wirklich immer so einfach schön Schwarz-Weiß? Das wäre nämlich, als wenn wir sagen und behaupten würden, dass jeder von uns, der sich auch nur annähernd negativ zum Thema Flüchtlinge äußert, ebenfalls rechter Gesinnung ist – OK, manche handeln und urteilen ja wirklich so.

Völliger Firlefanz ist jedoch wohl die Behauptung, bei Greta handele es sich um ein Fake, die ganze FFF-Kultur ist eine einzige Verschwörungstheorie, genau wie der Klimaschutz und die Erderwärmung selbst, ihre Aussagen seien frei erfunden bzw. ihr in den Mund gelegt worden etc. Dass Gerüchte um Verschwörungstheorien schnell salonfähig werden können, hat das Bielefeld-Experiment ja prachtvoll bewiesen – wer kennt ihn nicht, den Scherz, dass es Bielefeld ja gar nicht gibt? Ähnlich verhält es sich bei denjenigen, die auch nur ein Fünkchen Wahrheit in dieser ganzen Umweltdebatte leugnen. Und wenn man nicht weiter weiß, greift man halt schnell zur Krankheits- bzw. Behinderungskeule und versucht, Greta aufgrund ihres Authismuses Unzurechnungsfähigkeit zu bescheinigen.

Fazit oder: Ruhe bewahren!

Dass es Probleme gibt, hat wohl ein jeder verstanden – falls nicht, sollte man dringend an seiner Einstellung zu Wissenschaft und Forschung arbeiten. Denn auch unabhängig von Greta Thunberg und ihrer initiierten Bewegung gab es in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder Menschen, die auf die Klimamissstände aufmerksam gemacht haben. Nur kommt jetzt halt jemand daher, die Initiatorin einer Bewegung ist, deren Ausmaß wohl niemand von uns, ob nun Befürworter oder Kritiker, vorhergeahnt hätte.

Wie jemand im Sommer auf Facebook sehr zutreffend schrieb, ist jedoch in dieser Debatte um Greta und ihr Tun eine neutralere Denkens- und Argumentationsweise bzw. eine weniger wertende Berichterstattung etwas, dass scheinbar nicht vorhanden ist. Dies würde es sicherlich einigen, sowohl von den Kritikern als auch den „Anhängern“, leichter machen, sich mit der „anderen Seite“ einmal etwas genauer auseinanderzusetzen. Oder lieben wir unser Schwarz-Weiß-Denken und -Gefüge im Kopf so sehr, dass wir gar nicht dazu bereit, oder sogar in der Lage wären, solch Inhalte adäquat zu verarbeiten? Zu festgefahren sind die Denkmuster mancher – da kann sich wohl kaum jemand von ausschließen.

Zugegeben auch ich teile öfters Gretakritik oder schreibe zünische Kommentare. Nicht, weil ich ihr Tun vollends verleugne oder den Klimawahn für eine Ausgeburt irgendeiner Verschwörungstheorie halte. Ich kommentiere und teile, weil es wichtig ist, so lange es keine neutralere Berichterstattungen gibt, zu den positiven Kommentaren auch mal kritisch hinterfragende Texte zu haben; eben um dieses Gleichgewicht zu erhalten, von dem ich eben sprach.

Was wir als Gesellschaft aus dem Klimaschutz machen, obliegt bei uns und den von uns gewählten und somit beauftragten Politikern. Auch wenn Kleinviehch auch Mist macht und ein jeder von uns damit anfangen kann, Dinge zu verändern, liegt der größte Anteil an Handlungsnotwendigkeit eben nicht bei uns, sondern bei der Wirtschaft und der Politik. Ob man sich diese durch Präsenz auf der Straße „gefügig“ machen und zum Andersdenken anregen kann? Derzeit hat man das Gefühl, dass dem nicht so ist.

Es lohnt jedoch in jedem Fall auch, Aussagen und Forderungen, ob nun von Greta Thunberg oder wem auch immer, sachlich zu hinterfragen. Ist es machbar und umsetzbar, was wären Konsequenzen daraus und wär hätte diese zu tragen? Gäbe es vor allem noch weitere Alternativen? Dies vermisse ich sehr oft in dieser Diskussion. Stattdessen wird entweder jede Forderung der „Klimaprophetin“ und ihren „Jüngern“ mit Applaus begrüßt oder aber sie werden wie Papier in der Luft zerrissen und landen – vor allem in den sozialen Medien – am Ende auf dem Diskussionskompost.


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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