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Blind im Hamburg Dungeon: Grusel, Grauen und viel Humor – Ein Testbericht

Blind Freizeitparks zu nutzen und zu erleben ist, das haben wir in unseren vergangenen Tests bereits erläutert, nicht immer von Erfolg gekrönt. Sicherheitsbestimmungen und TÜV-Vorgaben schieben der uneingeschränkten Nutzung oftmals einen Riegel vor.

Doch wie verhält es sich bei Indoor-Aktivitäten und Attraktionen: Können interaktive Ausstellungen, Museen und sonstige Attraktionen von Blinden, ohne einen sehenden Begleiter genutzt werden?

Den Auftakt dieser Indoor-Testreihe, abseits der sonst üblichen Park- und Kirmeswege, machte im Oktober vergangenen Jahres das „Hamburg Dungeon“.

Im Jahr 2000 gegründet, bietet das „Dungeon“, welches übrigens zur Merlin Gruppe gehört (wie z. B. der von uns bereits getestete Heidepark auch), seinen Besuchern auf rund 3000 QM schaurig-schöne Begebenheiten aus der Hamburger Geschichte. Zwischen Pest und Piratenschlachten, Hexenverbrennungen und sonstigen Ereignissen, nehmen die Besucher an einer interaktiven Tour teil und werden dabei nicht nur von Schauspielern begleitet, sie nehmen aktiv am Geschehen der Tour teil. Wer hier jedoch punktgenaue, historisch aufbereitete Fakten erwartet, der sollte lieber ein herkömmliches Museum oder seinen Geschichtslehrer konsultieren, denn der Spaß- und Gruselfaktor stehen hier ganz klar im Vordergrund. Wenn man dies bei seinem Besuch im Hinterkopf behält und sich darauf einlässt, kann man 90 Minuten eine Menge Spaß haben.

Da wir bei unserem Heidepark-Test feststellen mussten, dass es blinden Besuchern bei den meisten Attraktionen nicht möglich ist, diese ohne sehende Begleitung zu nutzen, waren wir sehr gespannt, wie eine zur Merlin-Gruppe gehörende Indoor-Attraktion mit dieser Thematik umgehen würde.

Kleine Randbemerkung: Da wir natürlich interessierten Hamburg-Besuchern die Spannung nicht wegnehmen möchten, werden wir im folgenden Testbericht so wenig wie möglich auf inhaltliche Dinge der Führung eingehen – selber hingehen und erleben, lautet also die Devise. 😉

Anreise

Das Dungeon liegt in der Speicherstadt, nicht unweit von Hauptbahnhof und Hafen und ist sehr gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Entweder mit den S-Bahn-Linien S1, S2 (nur zu Stoßzeiten), S3 bis Landungsbrücken sowie der U-Bahn-Linie U3 bis Landungsbrücken oder Baumwall, oder mit der U1 bis Messberg fahren. Von dort aus sind es ca. 7-12 Minuten Fußweg bis zum Dungeon.

Zwar ist die Speicherstadt ein Touristenmagnet, jedoch beherbergt sie auch zahlreiche Bürogebäude. Dies bedeutet, dass man an kalten Tagen manchmal als blinder Besucher etwas Geduld mitbringen muss, bis man jemanden gefunden hat, der einem den Weg weist.

Einlass

Der Einlass ins Dungeon gestaltete sich völlig unkompliziert. Die Kasse befindet sich direkt am Eingang; noch bevor man das Gebäude betritt, hält man quasi schon sein Ticket in der Hand. Direkt hinter der Kasse erfolgt die Einweisung bzw. Zuweisung zu einer Gruppe.

Eine nicht vorhandene, sehende Begleitung stellte überhaupt kein Problem dar. Völlig locker und unkompliziert meisterten die zwei Mitarbeiter am Einlass die Situation, in dem sie in meiner Gruppe einfach nach jemanden suchten, der ebenfalls alleine unterwegs war und ihn fragten, ob er mich nicht begleiten wollen würde. Und so hatte ich während meiner Tour dann letzten Endes auch meine Begleitung.

Grauen, Grusel und Historisches mit viel Humor

Die Tour startete mit einer Abwärtsfahrt in einer Art großen Fahrstuhl. Unten angekommen, wurden wir noch mit den wichtigsten Spielregeln der Tour vertraut gemacht: Nichts und niemanden anfassen – wenn uns unser Leben lieb ist!

Dass die Schauspieler und deren, wie mir mein Begleiter erzählte, toll gestalteten Kostüme nicht angefasst werden sollten, ist durchaus verständlich. Dass jedoch die Einrichtungsgegenstände möglichst nicht berührt werden sollten, erschloss sich mir erst später. Denn würde man (als sehender Besucher) der Versuchung widerstehen und doch die alten Häuserwände und weitere Requisiten berühren, würde ein großer Teil der Illusionen definitiv verloren gehen! Anderen blinden Besuchern empfehle ich jedoch, sich auf ihre Weise umzuschauen und zumindest den einen oder anderen Gegenstand anzufassen. Viele Dinge sind sehr gut gestaltet und vor allem der Sarg mit dem scheinbar lebenden Toten hat seinen ganz eigenen Charme…

Wie eingangs erwähnt, begibt man sich in rund neunzig Minuten auf einen schaurig historischen Rundgang. Man begegnet Pestkranken oder dem Klabautermann, nimmt an einer Seeschlacht sowie einer Hexenverurteilung teil, landet – wenn man Pech hat – vielleicht sogar in der Folterkammer und erlebt weitere Szenarien. Da auch Kinder ab 10 Jahren das Dungeon besuchen dürfen, darf natürlich eine gehörige Portion Humor zwischen den gruselig schönen Geschichten nicht fehlen. Dazu tragen nicht zuletzt auch die Schauspieler bei, die einem bei dem Streifzug durch die Geschichte Hamburgs begegnen. Sie sind es auch, die – an die Situation angepasst – die Besucher aktiv mit in das Geschehen einbinden. So wurden meine Mitstreiter vor der bevorstehenden Seeschlacht von unserem Käpt’n grob angefahren, weshalb sie sich denn nicht – wie ich mit meiner Streitaxt (Blindenstock) – bewaffnet hätten? So könne man keine Schlacht gewinnen!

Für den Freizeitpark- und Karusselltester gab es jedoch auch im Dungeon zwei, wenn auch kleine, Fahrattraktionen zu erleben und zu testen. Denn die Fahrt in einem Schmugglerboot (kleine Wildwasserfahrt) sowie ein kleiner Freifall-Turm am Ende der Tour, gehören derzeit mit zu den Hauptattraktionen der Rundgänge und sorgen für zusätzlichen Spaß bei großen und kleinen Besuchern.

Fazit: Die Schlacht ist gewonnen!

Lassen sich interaktive Indoor-Attraktionen blind, d. h. ohne sehende Begleitung, nutzen?

Im Falle des Hamburg Dungeons können wir diese Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten!

Wo viele Freizeitparks sehr problemorientiert handeln, punktet das Dungeon durch eine sehr lösungsorientierte Handlungsweise. Etwas, das in einigen Freizeitparks leider nicht vorhanden ist: Nicht der Blinde bringt sich eine (Dauer-)Begleitung mit, die ihm durch das Labyrinth aus schmalen, dunklen Gängen, Türen und Treppenstufen hilft, sondern die Attraktion selber sucht aktiv und spontan nach einer Lösung, wie dem blinden Gast ein Zutritt ermöglicht werden kann. Nämlich, in dem er andere Besucher fragt, ob sie mich nicht mitnehmen und mir somit behilflich sein könnten. Schließlich hätte mein Begleiter durchaus auch „Nein“ sagen können. Doch ich denke, selbst dann wäre den Mitarbeitern und Schauspielern eine passende Lösung eingefallen.

Daher sagen wir von Parkerlebnis: Vielen Dank für ein tolles Gruselerlebnis und herzlichen Glückwunsch, die Schlacht ist gewonnen!


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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