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Gedanken-Gänge XXIV – Die Bilder einer Stadt sind zukünftig gesichterlos: Ein paar Gedanken eines blinden Foto- und Videobloggers zur neuen Datenschutzverordnung

Ab dem 25.05. tritt sie endlich in Kraft, die von vielen herbeigesehnte Datenschutzverordnung (DSGVO). In Ihr wird geregelt, inwieweit, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen „Daten“, insbesondere persönliche Daten, verarbeitet und veröffentlicht werden dürfen – einfach heruntergebrochen.

Für viele, vor allem Datenschutzkritiker, ein Grund des Aufatmens, für viele Künstler, Hobbyfotografen und Webseitenbetreiber ein Graus, für Abmahnanwälte Benzin im bereits brennenden Feuer.

Über die umfangreichen Änderungen unseres „Schutzes“ der privaten Daten und unserer Privatsphäre wurden in zahlreichen Vorabartikeln und Blogbeiträgen ausführlichst berichtet, wer sich etwas einlesen möchte, dem seien dieser Blogbeitrag, als auch diese rechtliche Herleitung sowie den Ausführungen auf der Webseite des Rechtsanwalts David Seiler empfohlen.

Mit einer Verlinkung eines anderen Artikels auf Facebook und einer Kommentierung des Artikels, machte ich meinem Frust über diese grandiose Verordnung Luft. Dabei stellte ich fest, dass es durchaus Befürworter selbiger Verordnung und der bald greifenden Regelungen zu geben scheint. Menschen, die nicht mehr so einfach im Internet erscheinen und zu sehen sein wollen, wird stattgegeben. Denn wer filmt oder fotografiert und im Bildmotiv andere Menschen (z. B. Passanten) abbildet, muss zukünftig – so er das Bild online veröffentlichen möchte – nicht nur um „Erlaubnis“ zur Veröffentlichung fragen, sondern sich diese schriftlich bestätigen lassen. Ein Hochzeitsfoto mit den 150 Gästen als Hintergrund, Konzertfotografie oder Aufnahmen einer Sportveranstaltung (und sei es nur des Dorffußballvereins) dürften zukünftig zu einem wahren Organisationsakt werden. Jeder, der sein Bild ungefragt im Netz aufstöbert, soll ab dem 25.05. wohl in der Lage sein, diese Aufnahme zu monieren. Abmahnkanzleien dürften sich bereits jetzt die Finger lecken.

Ich liebe Deutschland und seine teils drastischen Gesetze. Auch wenn die DSGVO Europaweit gilt, inwieweit sie umgesetzt wird und inwieweit es Ausnahmen oder Zugeständnisse (z. B. für Fotografen) gibt, entscheidet immer noch jede Nation für sich.

Fakt war für mich, als blinder Foto- und Videoblogger bisher: Wer sieht, dass ich etwas filme oder fotografiere und sich dennoch im Bild aufhält, mich jedoch auch nicht anspricht, sollte sich am Ende auch nicht darüber beschweren, in meinen Galerien oder meinem YouTube-Kanal aufzutauchen. Ich filme und fotografiere mit einer „richtigen“ Kamera und nicht, wie inzwischen viele andere, mit dem Smartphone. Es dürfte somit für den sehenden Passanten unmissverständlich sein, welcher Tätigkeit ich an diesem Ort derzeit nachgehen möchte. Im Zuge der Handyfotografie und der Tatsache, dass viele Handyvideos im Netz zu finden sind, kann ich die „Angst“ und die Kritik vieler, ihr Gesicht sei ungefragt ins Netz gelangt, nur teilweise nachvollziehen.

Datenschutz schön und gut – da haben sich einige Firmen in der Vergangenheit nicht gerade mit Rum bekleckert. Aber wieso belässt man es nicht bei solchen wirtschaftlichen Datenverarbeitungen? Eine derart drastische Einschränkung halte ich für den verkehrtesten aller Wege. Zu einem belebten Platz/Ort gehörten nun einmal auch Menschen. Geht es nach der Verordnung, müsste ich somit jeden einzelnen fragen, ob es ihm recht wäre, wenn ein Teil von ihm auf meinem Bild und somit auch im Internet zu sehen sein könnte. Für mich, als blinden Fotokünstler, sind da vielzuviele „Hätte“, „Wäre“, „Könnte“, „Würde“ und ein Foto oder eine Videoaufnahme wird – nach meinem Verständnis von Fotokunst – somit unattraktiv.

De facto ist es außerdem so, dass mich, indem ich Ort X betreten habe, doch eh viele andere Menschen gesehen haben. Und das wache Auge der Stadt, die zahlreichen Kameras, die an öffentlichen Plätzen schon zu finden sind, tun ihr übriges. Aber einen Riegel vor Video- und Fotopublikationen zu schieben? Finde den Fehler!

Gerade im journalistischen Sektor lebte die Berichterstattung in den letzten Jahren auch von Amateuraufnahmen, da diese oftmals nnäher am Geschehen oder schlicht weg aktueller waren. Auch auf solche Dinge wird man zukünftig wohl Dank DSGVO verzichten müssen.

Seit dem ich die Meldungen zur DSGVO gelesen habe, überlege ich intensiv, was derartige (Ver-)Änderungen für mich als Fotokünstler bedeuten werden. Sie bedeuten, dass ich, anders, als ich es bislang getan habe, sämtliche Aufnahmen von einem Sehenden „filtern“ lund somit auch aussortieren lassen muss. Motive, die an sich schön gewesen wären, auf denen jetzt aber Menschen zu sehen sind, fliegen raus – und das dürften nicht gerad wenige Aufnahmen sein. Videoblogs dürfte es demnach, zumindest von öffentlichen, belebten Plätzen, auch nicht mehr geben; mal von den Offride- und Onride-Videos von Kirmesfahrgeschäften ganz zu schweigen!

Künstlerische Vielfalt ist da hin, zumindest nach meinem persönlichen Empfinden. Und alles nur, weil wir in unseren Köpfen immer paranoider werden. Zwei Kommentatoren meines Facebookbeitrags schrieben so schön: „Tja, ob das alles dem Schutz dient? Und wer soll vor wem geschützt werden.“ und „Vor allem finde ich, es schührt unheimlich viel Angst und Misstrauen gegen jeden und alles!“

Diese Hab-Acht-Stellung, die in Deutschland – mehr, als in manch anderem, Europäischen Staat – eh schon vorherrscht, könnte durch derartige Schutzmechanismen nur noch geschürt werden. Berechtigt ist auch die gestellte Frage, wem es eigentlich nützt bzw. wer oder was hier in Wirklichkeit eigentlich geschützt werden soll? Wir vor dem bösen Internet und der unauthorisierten Verbreitung? Das Internet vor uns?

Da bleibt am Ende für all die Kunst-, Street-, Hobby-, Hochzeits-, Konzert- und sonstigen Fotografen und Videoblogger nur zu hoffen, dass die in sämtlichen Artikeln angekündigten Abmahnungen vielleicht doch nicht so häufig und so drastisch ausgesprochen werden und dass am Ende wieder heißer gekocht als gegessen wird. Ich fürchte jedoch fast, dass diese kleine Hoffnung unerfüllt bleiben wird.

Also ist es an uns! Es ist an uns, wie wir mit dieser Verordnung umgehen. Wenn wir sie einfach so hinnehmen, stirbt ein wichtiger Teil unserer modernen Gesellschaft ein Stück weit aus. Vielleicht ist doch noch nicht aller Tage Abend und die Bundesregierung erkennt, dass es auf nationaler Ebene definitiv Bedarf zur Nachbesserung gibt. Bleibt locker und wenn Ihr merkt, dass jemand in Eurer Nähe fotografiert oder filmt und Ihr nicht mit auf dem Foto sein wollt, geht einfach aus dem Bild. Und wenn Ihr kein Problem damit habt, Teil eines Motives zu sein? Bis zum 25.05. könnt Ihr einfach stehen bleiben, danach solltet Ihr trotzdem aus dem Bild gehen, um unnötigen Deutschen Vertragskrieg für den Fotokünstler zu vermeiden.

Ein kleiner Trost: Alles, was vor dem 25.05. an Video- und Fotomaterial im Internet veröffentlicht wurde, auf dem andere Personen zu sehen sind, darf auch online bleiben.

Um dem ganzen abschließend jedoch noch etwas Sarkasmus beizumischen: Dann möchte ich bitteschön zukünftig auch gefragt werden, wenn jemand in meiner Nähe telefoniert, während ich mich am unterhalten bin. Der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung könnte ja auch meine Stimme hören… und wer weiß: vielleicht telefoniert der neben mir auch gar nicht, sondern zeichnet eine Sprachnachricht auf und diese wird dann, inkl. meinem Gesprochenen, in die weite Welt verschickt? Vielleicht ist es auch kein herkömmliches Telefonat sondern ein Videogespräch und ich bin quasi live mit dabei?

Ach Leute. Lasst doch endlich mal die Kirche im Dorf, da wo sie auch hingehört! Von diesem Datenschutz- und Datenklaugehabe wird man noch ganz paranoid! Am Ende entfernen wir noch unsere Namen von den Klingelschildern, des Datenschutzes und der Privatsphäre wegen – wer weiß. 😉


Von Christian Ohrens

Freier, geburtsblinder Journalist, Baujahr 1984, abgeschlossenes Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Autor, Web-, Foto- und Videoblogger, DJ und Gästeführer.

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